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Wer schützt vor dem Staat?

■ taz-Debatte zur Reform des Polizeigesetzes von Matthias Güldner/Grüne

Das neue Polizeigesetz soll auf verstärkte „Prävention“ umgestellt werden. Das klingt gut. Wir Grünen verstehen darunter: Präventionsräte, die Aktion „Zivilcourage“, Kontaktbeamte und Jugendbeauftragte, Verbesserungen des sozialen Umfeldes, Arbeitsplätze. Von alledem steht im Entwurf des neuen Polizeigesetzes nichts. Dafür wird die Polizei ermächtigt, nicht mehr nur bei konkretem Tatverdacht, sondern weit im Vorfeld tätig zu werden. Um die öffentliche Sicherheit zu schützen, trifft die Polizei nach dem Willen des Senates „auch Vorbereitungen, um künftige Gefahren abwehren zu können.“ Schwammiger kann man es nicht mehr formulieren. Verdachtsunabhängige Kontrollen, ED-Behandlung, Platzverweis, Ingewahrsamnahme: es genügen zukünftig „Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Person eine Straftat begehen wird“ für weitreichende Eingriffe in die Grundrechte.

Das neue Polizeigesetz soll auch auf mehr Datenschutz umgestellt werden. Das klingt auch gut. Wir verstehen darunter kurz gesagt „informationelle Selbstbestimmung“. Von alledem steht im Entwurf des neuen Polizeigesetzes ziemlich wenig. Dafür wird die Polizei ermächtigt zu Videoüberwachung öffentlicher Räume, Lausch- und Spähangriffen privater Räume, Observationen und zum Einsatz verdeckter Ermittler. Und dies alles mit erweiterten Befugnissen und reduzierten Grundrechten.

Drin im Entwurf für das neue Polizeirecht ist auch der „finale Rettungsschuss“. Den braucht niemand in Bremen und selbst die Betreiber der „Reform“ wissen von keinen Beispielen, wo er in den letzten Jahren von Nöten gewesen wäre, um Menschen zu schützen. Das könnte man mit dem bisherigen Recht im Ernstfall – gedeckt durch Notwehr- und Nothilfeparagraphen. Bleibt als einzige Begründung für eine derart weitreichende Gesetzesänderung: Symbole zu setzen, um den von der Bremer CDU gewünschten Eindruck als Law and Order-Spezialisten zu verstärken.

Nicht drin im neuen Polizeirecht ist hingegen der Komplex „Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt“. Hier fordern wir das Wegweisungsrecht für gewalttätige Ehemänner. Damit diese nicht wie bisher gemütlich in der eigenen Wohnung bleiben dürfen, und die misshandelten Frauen mit den Kindern in die Frauenhäuser müssen.

Gewiss, eine Reform des bremischen Polizeirechts war schon allein wegen der Umsetzung der Datenschutzrichtlinien des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Volkszählung und der Datenschutzgesetze notwendig. Stark zu kritisieren ist aber der Versuch, so wenig Datenschutz wie rechtlich möglich zu etablieren und so viele polizeiliche Rechte wie möglich umzusetzen. Das hat im Vorfeld auch der bremische Datenschutzbeauftragte kritisiert. Die geplanten Ausweitungen polizeilicher Eingriffsrechte (CDU und SPD legen hier einen Maximalkatalog vor) sind kaum oder gar nicht durch reale Gefahrenlagen hinterlegt. Polizei und Innensenator haben hier eine große Begründungsschwäche. Viele Experten sagen, zur Bewältigung der polizeilichen Aufgaben in Bremen würde das bisherige Recht plus die Bestimmungen der Strafprozessordnung genügen. Bleibt der Verdacht, über die konkrete Abwehr von Gefahren für die BürgerInnen und die öffentliche Sicherheit hinaus, soll hier Polizeirecht als Ordnungsfaktor für sozial und „stadtbild-bezogene“ Unliebsamkeiten („Penner“, Junkies, Punks, Ausländer, Hooligans, herumlungernde Jugendliche, etc.“) eingesetzt werden. Zweifelhaft ist, ob diese neue Aufgabenstellung einer umfassenden „sozialen Ordnungsmacht“ wirklich im Interesse der Polizeibeamten ist.

Wir Grünen lehnen nicht jeden einzelnen Paragraphen ab (beim Datenschutz musste reformiert werden), aber das „Reformwerk“ als Ganzes. Da wo Datenschutz und Prävention drauf steht, sind bei CDU und auch bei Bremens SPD eingeschränkte Grundrechte und die Abkehr von der Unschuldsvermutung drin.

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