: Bloß kein zweites Münster
Nach dem Debakel der Bundespartei will der PDS-Landesparteitag vor allem eines: Einigkeit demonstrieren. Pau schließt Kandidatur für den Bundesvorsitz aus und wird dafür beklatscht
von ANDREAS SPANNBAUER
Robert Scholz, PDS-Finanzstadtrat in Prenzlauer Berg, kann die neu ausgebrochene Einigkeit in seiner Partei noch gar nicht fassen. „Ist euch klar“, ruft er verblüfft den Delegierten des PDS-Landesparteitages im Schöneberger Rathaus zu, „dass wir mit dem vorliegenden Leitantrag die knappen Landeskassen als Ausgangsbedingung unserer Politik akzeptieren?“
Einen Moment lang herrscht betroffenes Schweigen. Daran hatte angesichts der vorangegangenen Zuversichtsbekundungen über die Zukunft der PDS nun wirklich keiner gedacht. Doch wenige Minuten später wird der Antrag des Landesvorstandes, in dem sich die Sozialisten zur Fortsetzung des innerparteilichen Reformkurses bekennen, mit einer Volkskammermehrheit angenommen.
Auf dem ersten Landesparteitag nach dem Rückzug von Lothar Bisky und Gregor Gysi in Münster will die PDS Geschlossenheit um jeden Preis demonstrieren. „Alles, was uns spaltet, nützt den Gegnern einer solidarischen Gesellschaft“, mahnt ein Delegierter und erntet Kopfnicken.
Niemand verkörpert diese Haltung besser als die Landesvorsitzende Petra Pau. Nie hatte Pau in den vergangenen Wochen aus ihren Ambitionen auf den Posten der Bundesvorsitzenden einen Hehl gemacht. Jetzt, wo der Bundesvorstand die Thüringerin Gabi Zimmer vorgeschlagen hat, will sie „ungefragt“ ins Spiel gebracht worden sein und schließt eine Gegenkandidatur aus. Für so viel Selbstlosigkeit erhält sie anhaltenden Beifall. Ein zweites Münster, das die PDS in den Umfragen bundesweit von sieben auf vier Prozent gedrückt hat, will die Partei auf keinen Fall erleben.
„Wir sind alle Reformer“, ruft der Abgeordnete Michail Nelken aus, „keiner von uns will ein Telegrafenamt besetzen“. Stattdessen sucht man einvernehmlich und langwierig nach Wegen aus dem Konflikt zwischen Fundamentalopposition und konstruktiven Reformvorschlägen. Auch die Parteilinken haben ihren Burgfrieden mit den Verfechtern des Reformkurses geschlossen und üben sich angesichts der wortgewaltigen Bekenntnisse zu einer Abkehr von Bekenntnissen in Schweigen. Selbst als die Abgeordnete Marion Seelig und die Hohenschönhausener Bezirksbürgermeisterin Bärbel Grygier auf die Verantwortung der DDR für den braunen Boom in Ostdeutschland hinweisen, ernten sie kaum Widerspruch.
Nur ein Antrag auf Missbilligung des Landesvorstandes stört am Nachmittag kurzzeitig die Harmonie. Die Jugendarbeitsgemeinschaft wirft der Führung vor, durch die verspätete Offenlegung der Stasi-Tätigkeit des inzwischen zurückgetretenen Vorstandsmitglieds Cornelia Hildebrandt gegen die innerparteiliche Demokratie verstoßen zu haben. Vor allem Pau war in diesem Zusammenhang Führungsschwäche nachgesagt worden. Nach kurzer Debatte weisen die Genossen den Wunsch nach einem Rüffel für den Vorstand mit überwältigender Mehrheit ab.
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