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Der Anstoß von Köpenick

Nach dem Umzug der NPD in die Hauptstadt wehrt sich ein Berliner Bezirk gegen die ungeliebten Nachbarn. Doch der Widerstand bleibt unschlüssig, wie eine gescheiterte Veranstaltung zeigt

von ANDREAS SPANNBAUER

Nach deutscher Gründlichkeit sieht die Fassade des zweistöckigen Altbaus nicht aus. Deutlich heben sich die Farbflecken neben den Fensterrahmen von der frisch gelb getünchten Wand ab und erinnern an einen Farbbeutelanschlag. Auch auf dem Boden des Bürgersteigs erinnert ein großer roter Farbfleck an die fehlende Popularität der Hausbesitzer; eines der wenigen sichtbaren Zeichen des antifaschistischen Protests im Berliner Bezirk Köpenick gegen die neue NPD-Bundesgeschäftsstelle.

Über dem Eingang des Hauses steht in großen, chromfarbenen Lettern „Carl-Arthur-Bühring-Haus“. Der Rentner aus Baden-Württemberg hat der rechtsradikalen NPD einen Platz an der Sonne verschafft. Mit dem Kauf des Anwesens Seelenbinderstraße 42 und dessen Überführung in Parteieigentum ist ein Stück Parteiprogramm der NPD Wirklichkeit geworden: die Niederlassung der Bundesgeschäftsstelle in der „Reichshauptstadt“.

Seit Februar residiert die NPD – bisher im Süden der Republik in Stuttgart angesiedelt – im Berliner Randbezirk Köpenick. Seitdem ist die Seelenbinderstraße, benannt nach dem vom NS-Volksgerichtshof zum Tode verurteilten Ringer und KPD-Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder, zu einem viel beachteten Ort geworden. Nicht nur Neonazis und Altrechte stolzieren durch die Straße. Auch der antifaschistische Protest vor allem von Jugendlichen zieht wiederkehrend an dem unattraktiven Haus vorbei.

Zugleich ist die Gegend zu einem Überwachungsschwerpunkt der Sicherheitsbehörden geworden. Direkt vor dem Haus parkt ein Streifenwagen. Anwohner munkeln, auch der Verfassungsschutz habe sich in der Umgebung eingemietet.

Wie nirgendwo sonst in Berlin gehören in der Köpenicker Altstadt nun einschlägig bekannte Rechtsextremisten genauso zum Stadtbild wie die Namen der ermordeten antifaschistischen Widerstandskämpfer auf den Straßenschildern. Der Standort Köpenick ist für die NPD dabei die ideale Ausgangsbasis. Über eine halbe Stunde Autofahrt liegt der Randbezirk im Südosten von der Innenstadt entfernt. Vielleicht ist das der Grund, warum das rechte Zentrum bisher ein lokales Problem geblieben ist.

Ein lokales Problem von erheblichem Ausmaß allerdings. Denn so hatte sich Conny Heidrich, Sprecherin des Jugendbündnisses „Bunt statt braun“ den Abend vergangenen Dienstag nicht vorgestellt. Im Rathaus Köpenick stand eine Diskussion über den Umgang mit den Rechtsextremisten mitten im Bezirk auf der Tagesordnung. Das Jugendbündnis, in dem sich rund 15 Jugendeinrichtungen zusammengeschlossen haben, hatte zu der Runde getrommelt, um den Widerstand gegen die NPD-Zentrale und die sie anziehenden Faschisten zu verbreitern. Der Protest sollte nicht länger nur eine Sache von jugendlichen AntifaschistInnen sein, sondern eine gemeinsame Aufgabe des gesamten Bezirks werden.

Doch es kamen nicht nur potenzielle Bündnispartner im Kampf gegen rechts. In den Saal schritten der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, der ehemalige RAF-Mann und heutige Rechtsausleger Horst Mahler mitsamt nationalem Gefolge, stramme Rechtsextremisten.

Die Veranstaltung des „Köpenicker Bündnisses für Demokratie und Toleranz, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ unter Schirmherrschaft des Bezirksbürgermeisters Klaus Ulbricht (SPD) wandelte sich nach diesem unerfreulichen Einzug zu einem Forum für nationale Phrasen. Ulbricht, ein stets zurückhaltender und vorsichtiger Politiker, hielt sich an dem Glaubenssatz fest, Ausgrenzung löse das Problem nicht. Entsprechend nahmen Voigt und seine nationalen Freunde die Gelegenheit war, das Kommando über die Veranstaltung zu übernehmen.

Nach einem Vortrag von Bernd Wagner, prominenter Leiter des „Zentrums Demokratische Kultur, Rechtsextremismus, Jugendgewalt, Neue Medien“ über den verstärkt auftretenden Ausländerhass konnte Horst Mahler das Wort ergreifen und von der drohenden Überfremdung im Land fantasieren. Unterdessen übernahmen es seine deutschen Kameraden, Angst und aggressive Stimmung im Saal zu verbeiten. Eine vernünftige Diskussion fand nun nicht mehr statt, stattdessen verließen nach und nach diejenigen den Saal, die auf eine Stärkung des Protests gegen die Rechten gehofft hatten. Die Veranstaltung hatte das Gegenteil bewirkt.

„Der Abend ist alles andere als glücklich verlaufen“, bilanziert die Sprecherin des Jugendbündnisses, Conny Heidrich: „Das war eine unfreiwillige Wahlveranstaltung für die NPD.“ Bezirksbürgermeister Ulbricht dagegen meinte, „daraus kann jeder lernen, jeder darf seine Meinung sagen“. Er wertete den Diskussionsabend als „Schritt in die richtige Richtung“.

Vor dem Rathaus in Köpenick erinnert eine Statue an den berühmt gewordenen Hauptmann von Köpenick, der Vorlage für das gleichnamige Theaterstück von Carl Zuckmayer, in dem der deutsche Untertanengeist auf die Schippe genommen wird. Bei der NPD heißt es jetzt bereits, der Parteivorsitzende sei nun der Hauptmann von Köpenick. Die Romanfigur trägt den gleichen Nachnamen wie Voigt.

Im Bezirk herrscht Unklarheit über die Frage, wie man in ähnlichen Fällen mit ungeladenen rechten Gästen umgehen soll. Eine Diskussion mit den Führern, die über ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild verfügen, hält Jugendsprecherin Heidrich für zwecklos. Andererseits müsse man versuchen, diejenigen Jugendlichen, die sich aus Orientierungslosigkeit rechten Cliquen anschließen, zu überzeugen. Die Sozialarbeiterin hofft darauf, das sich in Zukunft auch das offizielle Köpenick entschiedener gegen die NPD positioniert: „Wir wünschen uns, dass noch mehr passiert.“

Die Anwesenheit der NPD-Zentrale ist im Bezirk längst zu spüren. An den Straßenecken sind Aufkleber mit der Aufschrift „Deutschland den Deutschen“ aufgetaucht. Schon mehrmals in den letzten Monaten haben Anhänger der Partei Flugblätter vor dem Einkaufszentrum „Forum Köpenick“ unter die Menschen gebracht. Dirk Retzlaff, PDS-Kulturstadtrat und Leiter der NS-Gedenkstätte „Köpenicker Blutwoche“, stellt eine Zunahme des rechten Potenzials im Bezirk fest. „Man trifft immer öfter auf Menschen, die nicht gerade zur Haarpracht neigen.“

Auf den alternativen Jugendclub „Haus der Jugend“, der nur 50 Meter von der NPD-Niederlassung entfernt ist, wurde am 9. April sogar ein Brandanschlag verübt. Unbekannte warfen an diesem Wochenende einen Molotowcocktail durch ein Fenster. Mitarbeiter sprechen von Glück im Unglück: Der Brandsatz landete in der Personaltoilette, eine Wasserleitung wurde beschädigt und das Feuer durch das austretende Wasser gelöscht. Einen rechtsextremen Hintergrund will man im „Haus der Jugend“ nicht ausschließen, doch Beweise gibt es bisher keine. Der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes hat die Ermittlungen aufgenommen. Die Spurenauswertung dauert noch an.

Einschüchtern lassen wollen sich die Anti-Rechts-Aktivisten von solchen Vorfällen nicht. Mit mehreren Aktionen will das Jugendbündnis gegen rechts in den nächsten Wochen den Unmut über die Anwesenheit der Nationaldemokraten artikulieren. Am morgigen Mittwoch soll im Schulamt eine Ausstellung über Anne Frank eröffnet werden, an der auch ein Vertreter der niederländischen Botschaft teilnehmen wird. Am Wochenende soll dann auf dem Hof der Jugendförderung ein Konzert unter dem Motto „Bunt statt Braun“ den Soundtrack gegen rechts liefern.

Der Kampf gegen die NPD ist für die Gegner vor allem ein Kulturkampf. „Die NPD muss im trockenen Teich fischen“, erklärt David Friedrich vom Jugendbündnis den Versuch, eine Atmosphäre der Ablehnung im Bezirk zu schaffen. „Wir wollen nicht nur ‚Nazis raus‘ rufen, sondern für ein multikulturelles Klima sorgen“, sagt auch Conny Heidrich. Die Botschaft soll sein: „Wir machen einfach die bessere Party.“

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