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Berlin, Hannovers Vorort

Expo, wir kommen? Mit immerhin 30 Projekten ist Berlin bei der Weltausstellung vertreten. Doch der Senat setzt vor allem auf die Hannover-Touristen. Und die sollen in die Hauptstadt kommen

von UWE RADA

Wolfgang Branoner ist ein zuversichtlicher Mann. Das muss er auch sein. Schließlich ist der Berliner Wirtschaftssenator verantwortlich für das wirtschaftliche Wohlergehen der Hauptstadt. Und weil es um das nicht gerade gut bestellt ist, kommt die Expo in Hannover dem CDU-Politiker gerade recht. „Berlin profitiert von der Expo 2000“, sagt Branoner, „und die Expo 2000 profitiert von Berlin.“ So viel Zuversicht oder zu viel der Zuversicht?

Die Weltausstellung in Hannover, die ab 1. Juni ihre Pforten öffnet, war dem Berliner Abgeordnetenhaus bei seiner letzten Sitzung gar eine aktuelle Stunde wert. Branoners Optimismus wurde freilich nicht von allen geteilt. Vor allem der PDS-Abgeordnete Freke Over unkte, der Wirtschaftssenator degradiere Berlin zum „Vorort von Hannover“.

Solcherlei Häme hat Branoner freilich selbst zu verantworten. Er war es, der vor allem den Zuwachs an Touristen in Berlin in Aussicht stellte und die Expo-Besucher aufforderte, nicht in der niedersächsischen Hauptstadt zu übernachten, sondern in Berlin. „Berlin ist als kulturelles und politisches Zentrum Deutschlands von Hannover in cirka anderthalb Stunden per Zug erreichbar“, rief Branoner den Berliner Abgeordneten zu. „Zur Zeit kann man in Berlin zweifelsohne preiswerter übernachten – auch wenn man die Bahnfahrt zum Übernachtungspreis hinzurechnet.“

Dass der Wirtschaftssenator die Berliner Expo-Projekte in seiner Rede mehr oder weniger unerwähnt ließ, hat nicht nur die Opposition von PDS und Grünen verblüfft. Zum ersten Mal in der Geschichte der Weltausstellungen werden diesmal auch so genannte Weltweite Projekte präsentiert. 450 von ihnen gibt es, allein 30 davon in Berlin.

Vielleicht lag der Grund für das Schweigen des Wirtschaftssenators aber auch darin, dass viele der Berliner Referenzprojekte nicht gerade Renner in Sachen „Mensch, Natur, Technik“ sind. So gehört die „Gewinnung von Tonsignalen aus Negativspuren“ ebenso dazu wie die mittlerweile altbekannte Infobox am Potsdamer Platz – und dies, obwohl die Expo-Regelung eigentlich vorsieht, dass die „Weltweiten Projekte“ erst zu Beginn der Expo an den Start gehen sollten.

Jene Vorhaben, mit denen sich Berlin tatsächlich als Experimentierfeld eines nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen ausgibt und dem Zusammenspiel von Mensch, Natur, Technik widmet, sind hingegen selten. Das größte unter ihnen ist die Ostberliner Großsiedlung Hellersdorf. Dort wird exemplarisch gezeigt, wie man ein Wohngebiet in industrieller Bauweise modernisiert und saniert und damit nachhaltig weiterentwickelt. Innovativ ist auch das Projekt „Schule 2000“, mit dem behinderte Kinder stärker integriert werden und Schüler lernen sollen, „Verantwortung zu übernehmen, im Team zu arbeiten und theoretisches Wissen praktisch anzuwenden“. Beredtes Beispiel dafür ist der „Weidenpavillon“ im Freizeit- und Erholungszentrum Wuhlheide in Köpenick. Gemeinsam mit Jugendlichen aus Bonn und Köln haben Berliner Schüler dabei ein elf Meter hohes „lebendiges Bauwerk“ aus gebündelten Weidenruten errichtet.

Schwierig wird es dagegen schon mit Projekten wie dem „Schöneberger Südgelände“. Da das zugewucherte ehemalige Bahnhofsgelände im Rahmen der Weltausstellung nun als Landschafts- und Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde, wird von vielen begrüßt. Das Problem ist nur, dass ein Großteil der Fläche zuvor gerodet wurde. Hauptstadtumbau und Nachhaltigkeit gehen eben nicht immer im Gleichklang.

Ansonsten handelt es sich bei den Berliner Expo-Exporten entweder um gescheiterte Großvorhaben wie das Millionengrab „Wasserstadt Rummelsburger Bucht“ oder kleinere Projekte, für die nicht einmal die Marketinggesellschaft „Partner für Berlin“ zu werben sich trauen würde. Einer der wenigen ernst zu nehmenden Beiträge dürften daher die Berliner Autonomen sein, die sich als Expo-Gegner in Hannover angekündigt haben.

Während sich der PDS-Abgeordnete Freke Over immerhin freut, dass die Expo nicht direkt in Berlin stattfindet, hat auch der Wirtschaftssenator mittlerweile Grund zur Genugtuung. Ausländische Reisegäste buchen für ihren Besuch bei der Expo lieber ein Zimmer in der Hauptstadt als in Hannover, teilte gestern die Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) mit.

BTM-Chef Hans Peter Nerger ist anders als Wolfgang Branoner freilich nicht nur ein zuversichtlicher Mann, sondern auch ein vorsichtiger. „Sollte die Weltausstellung floppen, so wäre das aus touristischer Sicht eine Katastrophe. Auch für die Stadt Berlin.“

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