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Doch nichtKanzlerin

Renate Schmidt (56) gibt den Landes- und Fraktionsvorsitz der bayerischen SPD ab. Ihre Kraft ist verbraucht

von PATRIK SCHWARZ

Zum Schluss hat sie doch hingeschmissen. Und außerhalb Bayerns nimmt kaum jemand so recht Notiz davon. Hätte sie nicht Kanzlerin werden können? Irgendwann? Beinahe? 1993 hatte sie sich kurzzeitig in das Gerangel zwischen Scharping, Lafontaine und Schröder geworfen. Egal, sie wurde es nicht. Ihren Freunden blieb eine Illusion: Die beste Kanzlerin, die Deutschland nicht hatte. Ihre Gegner können sich bestätigt sehen. Eine Sozi im Dirndl ist ja schön und gut, aber wo bleibt da die Programmatik?

Am späten Mittwoch hat Renate Schmidt sich von der Macht getrennt: Im September gibt sie den SPD-Vorsitz in Bayern ab, den Vorsitz der Landtagsfraktion schon im Sommer. Ohne beide Ämter ist auch der stellvertretende SPD-Bundesvorsitz, den sie vorerst behält, nur noch eine geborgte Position.

Das politische Ende von Renate Schmidt ist mehr als das Ende einer Provinzgröße. Mit ihr ist erstmals das Erfolgsrezept der jüngeren deutschen Politik gescheitert: als Politiker die eigene Person, nicht ein Parteiprogramm in den Mittelpunkt zu stellen. Renate Schmidt hat damit einen Stil erprobt, der anderen Politikern nach ihr wesentlich größeren Erfolg gebracht hat. Angela Merkel ist heute das prominenteste Beispiel für diese Methode, aber natürlich zählt auch Joschka Fischer dazu. Beide verdanken die Faszination, die sie auf die bundesrepublikanische Gesellschaft ausüben, gewiss nicht ihren programmatischen Positionen. Insofern enthält der Fall der Renate Schmidt womöglich auch die eine oder andere Warnung an Angela Merkel und Joschka Fischer.

Schmidt hat ihre Biografie zum Programm gemacht – ihre Lebenswege, ihre Verwundungen, ihre Wandlungen. Ob in Interviews, Wahlkampfreden oder Porträts – ihre Lebensstationen waren stets ihr politisches Kapital: Da war der Aufstieg von der Schulabbrecherin über die einfache Programmiererin bei „Quelle“ zur „Systemanalytikerin“ – was auch immer das sein mag. Soziale Gerechtigkeit, so die naheliegende Schlussfolgerung, ist für Renate Schmidt Herzenssache. Ähnlich in der Frauenpolitik. Der Fotobiografin Herlinde Koelbl erzählte sie 1991: „Wenn ich zurückdenke, dann war es, als ich 20 war, mein vorherrschendes Bestreben, den Männern zu gefallen. Mit 30 war es mein Bestreben, besser als die Männer zu sein. Und ungefähr ab 40 habe ich mich von diesem Vergleichsmaßstab überhaupt befreit.“ Schmidts persönlicher Weg war derselbe, den sie sich für den Kurs sozialdemokratischer Frauenpolitik wünschte: frisch, zuversichtlich, undogmatisch. Wer sein Leben so stark als Verzahnung aus Privatem und Politischem erlebt, muss auch den zeitweisen Rückzug aus der Öffentlichkeit nicht fürchten. Jahrelang vertrat Schmidt offensiv ihr Recht auf ein Liebes- und Familienleben fern aller Kameras. Alles ging gut, solange sie als Person überzeugte.

In den Jahren nach 1991, als sie Bundestagsvizepräsidentin, später SPD-Landeschefin wurde, galt sie in bürgerlich-konservativen Kreisen als wählbar wie sonst kaum ein Sozi. Sie entfaltete politische Strahlkraft weit über das eigene Lager hinaus – bei der CDU heißt dieser Effekt heute „Merkel-Bonus“.

So sicher das Rezept für einen Aufstieg in der post-ideologischen Bundesrepublik der 90er-Jahre taugte, so anfällig erwies es sich auch. Ob Schmidt, Merkel oder Fischer – für sie gilt alle mehr denn für die Wehners, Barzels oder Kohls: Ihr Weg ist zu Ende, sobald sie ihre Kraft erschöpft haben, sich als Person und Politiker neu zu erfinden. Renate Schmidts Abschied war so persönlich gehalten, wie er kläglich klang. „Ich bin froh, dass eine Last weg ist“, sagte die 56jährige, um dann hinzuzufügen, wie schade es sei, „dass es zu so einem traurigen Ende gekommen ist.“

Ausschlaggebend für Schmidts Resignation waren nicht die Querelen im notorisch intriganten SPD-Landesverband. Ausschlaggebend waren auch nicht ihre schwachen Landtagsauftritte als Opponentin des präzisen wie erfolgreichen Edmund Stoiber. Mit derlei Unbill hatte Renate Schmidt jahrelang zu ringen. Doch im letzten Jahr, dem „schwierigsten meiner politischen Tätigkeit“, hat sie das Zutrauen verlassen, es könne für sie in der Politik einen neuen Anfang geben. Bei der Landtagswahl landete sie weit unter, statt weit über 30 Prozent. Mit dem von ihr misstrauisch beäugten neuen starken Mann der SPD, Gerhard Schröder, kam es nie zu einer Aussöhnung. Als eine der linken SPD-Frauen, die Oskar Lafontaine einst energisch förderte, litt sie unter seinem Abgang besonders. Jetzt hat auch sie genug.

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