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Geschenke auf Zeit

Immerhin: Genfood wird es auf der Weltaustellung nicht geben. Doch auch wenn sich die Industrie moderat gibt: Für einen kritischen Umgang mit der Gentechnolgie ist in Hannover wenig Platz

von ISABELL RODDE

Als Birgit Breuel vor dreizehn Jahren mit Messechef Sepp Heckmann zusammensaß, um erste Pläne für eine Weltausstellung in Hannover zu schmieden, träumten die beiden von einer riesigen DNA-Doppelspirale als Wahrzeichen der Expo. So wie das Atomium bei der Weltausstellung 1958 in Brüssel den Durchbruch der Kernenergie verkünden sollte, wollte man in Hannover die Gentechnik als neue Zukunftstechnologie feiern.

Inzwischen ist die Doppelspirale in der Schublade verschwunden, und die Ankündigungen sind verhaltener geworden. „Bei uns ist das Thema nur eins unter vielen“, erklärt Ulrich Frohnmeyer, Projektleiter der Ernährungsausstellung auf der Expo. Während Genomforschung und Reproduktionsmedizin Schwerpunktthemen im 100.000 Quadratmeter großen Themenpark sind, soll Gentech-Food nur in abgespeckter Form ausgestellt werden. Der Hintergrund: Die Chemiekonzerne engagieren sich weit weniger als ursprünglich von der Expo GmbH erhofft.

Zwar ist der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit einer 26 Millionen Mark teuren Gemeinschaftspräsentation „Das Leben ist Chemie“ in der Themenparkausstellung „Mensch“ vertreten. Darüber hinaus beteiligen sich marktführende Konzerne bei der Expo aber nicht. „Die Industrie hat – was die grüne Gentechnik betrifft – zur Zeit keine PR-Strategie“, meint Frohnmeyer.

Nach langen Verhandlungen hat Monsanto im letzten Frühjahr seine Teilnahme an der Ernährungsausstellung abgesagt. Damit war auch die Idee des „Genetic Diners“ vom Tisch, das der Konzern in den letzten Jahren immer wieder auf Messen veranstaltet hatte. Es wird auf der Expo also kein „Genfood zum Knabbern“ geben – und auch die angekündigten leuchtenden Genkartoffeln sind gestrichen worden. Kritik an der „verharmlosenden Darstellung“ hat bei dieser Entscheidung allerdings keine Rolle gespielt. Die geplante Tischbeleuchtung scheiterte schlicht an den Grenzen der Technik: Die Kartoffeln leuchten nicht hell genug und sind damit für spektakuläre Inszenierungen nicht zu gebrauchen.

Gentechnik zum Anfassen wird dennoch nicht fehlen. Allerdings soll es nun, ohne Beteiligung der Industrie, keine provokante und kontroverse Darstellung geben wie ursprünglich geplant. „Wir stellen die Thematik neutral dar“, so Frohnmeyer. Neben Gemüsegarten, Kompostbehältern, Picknikplätzen und einem Riesenbüffett soll hinter Schaufenstern goldener Gentech-Reis ausgestellt werden.

Ein Forscherteam von der Universität Zürich hat den Pflanzen das Provitamin A eingefügt. Ingo Potrykus, Leiter des Laborversuchs, wirbt dafür, dass der Vitamin-A-Mangel, von dem schätzungsweise 250 Millionen Menschen weltweit betroffen sind, so wirksam bekämpft werden könne. Deswegen will er den Gentech-Reis den armen Bauern in den Entwicklungsländern schenken und so „gegen die Armut kämpfen“.

Die europäische Koordinatorin der Kampagne „Keine Patente auf Leben“, Florianne Koechlin, hält diese Versprechungen für scheinheilig: „Das Provitamin A in dem Reis löst sich nur in Fett auf. Gerade in vielen armen Ländern mangelt es aber an ölhaltiger Nahrung.“ Ihrer Meinung nach gibt es bereits erfolgreich praktizierte andere Methoden, Vitamin-A-Mangel auszugleichen: „Letztendlich geht es bei der ganzen Geschichte nur um eine riesige Werbekampagne für Gentech-Food.“ Wie lange der Reis, wie versprochen, ein „Geschenk“ bleiben soll, sei im Übrigen ungewiss: Potrykus, der enge Beziehungen zum Schweizer Konzern Novartis unterhält, habe den Vitamin-A-Reis bereits zum Patent angemeldet.

Ihre Kritik an der Patentierung von Gentech-Pflanzen und den katastrophalen Auswirkungen für die KleinbäuerInnen der Dritten Welt wird die Biologin im Themenpark allerdings nicht äußern können. „Das Thema ist viel zu komplex, als dass wir es sinnvoll darstellen könnten“, entschuldigt Frohnmeyer. Schließlich würden sich die BesucherInnen nur rund zwanzig Minuten in der Ausstellung aufhalten.

In der benachbarten Ausstellung „Mensch“ stehen, gesponsert von VCI und Allianz, das Human-Genom-Projekt, die weltweite Bevölkerungsdynamik und „Der Mensch nach Maß“ im Mittelpunkt. Anders als bei der Ernährung scheinen die Beteiligten hier nicht mit Akzeptanzproblemen der BesucherInnen zu rechnen. Blickfang der Inszenierung soll ein riesiges Schiff werden, das den Aufbruch ins neue Jahrtausend symbolisiert. Die Schiffsladung, bestehend aus siebzig großen Würfeln, wird „technisch-naturwissenschaftliche Utopien“ und „zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen“ zur Diskussion stellen. „Wir wollen nicht belehren, sondern Fragen aufwerfen und die Besucher anregen, ihre eigene Meinung zu bilden“, sagt Projektleiter Markus Diekow.

Die Konzeption der Ausstellung gleicht einer Bestandsaufnahme der neuesten naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse: Gentherapie, Hybridorgane, Brain-Chips, Präimplantationsdiagnostik. Kritische Fragen (Wissen wir alles über den Menschen, wenn wir seinen Bauplan kennen? Wollen wir den „gläsernen Patienten“?) werden zwar angedeutet, aber der technische Fortschritt ist unaufhaltsam. „Die Weitervererbung von Krankheiten könnte ein für allemal verhindert werden, wenn man die Keimzellen von den mutierten Genen befreien würde“, heißt es etwa zum Thema Keimbahnmanipulation. Diese sei im Augenblick zwar noch verboten, aber der bisherige Misserfolg der Gentherapie führe zu „nachdrücklichen Forderungen der Keimbahntherapie“.

Zwei gläserne Würfel, gefüllt mit Milliarden bunter Stecknadeln, sollen veranschaulichen, wie viele Gene und Basenpaare im Rahmen des Human-Genom-Projekts schon erfolgreich bestimmt worden sind. Große „Chromosomenklingeln“ verdeutlichen, welche Krankheiten und Charaktereigenschaften genetisch bedingt und welche von Sozialisation und Umwelteinflüssen abhängen. Und unter dem Motto „Mensch nach Maß“ können die BesucherInnen entscheiden, nach welchen Kriterien sie ihr Kind aus vielen Embryonen aussuchen würden.

Ins Thema einführen wird eine eigens produzierte Fernseh-Soap: Ein junges Paar lässt sich in einem modernen Reproduktionszentrum beraten und bestellt schließlich dort das passende Kind – eine Inszenierung, bei deren Umsetzung sich die Ausstellungsmacher vom Zentrum für IVF und Reproduktionsmedizin in Bad Münder haben beraten lassen.

„Der Themenpark entwirft ein Szenario, in dem die Gesellschaft biologisiert und Menschen zum genetisch gesteuerten Wesen werden“, kritisiert Kai Kaschinski, Mitarbeiter des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (Buko). „In dieser Logik müssen dann nicht mehr die Verhältnisse geändert werden, sondern nur noch das Genmaterial.“ Teile des Buko rufen deswegen zu einer „Kampagne gegen Biopolitik und Expo“ auf.

Als Höhepunkt im Themenpark „Mensch“ können die BesucherInnen das Zukunftsszenario der chemischen Industrie in komprimierten acht Minuten erleben. Im „ChemiDrom“ fährt sie ein computergesteuerter Zug vorbei an wuchernden Krebszellen, sauberen Chemieanlagen und gentechnisch optimierten Sonnenblumenfeldern. „Ohne Gentechnik können wir den weltweiten Herausforderungen nicht begegnen“, erklärt VCI-Sprecher Stefan Hilger. „Das wollen wir den ExpobesucherInnen zeigen.“

ISABELL RODDE, 36, lebt in Hannover und ist Redakteurin beim Expo-krtitischen Internetforum www.xposition.de

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