: Totsparen – „Weg ohne Ausweg?“
■ Ein Kongress beriet quer durch alle Parteien eine andere Politik: Nur wenn Bremen so attraktiv ist, dass mehr Einwohner in der Stadt leben wollen, hat die Stadt finanzpolitisch eine Perspektive
„In vier Jahren ist Bremen wirklich pleite – was dann?“ Diese Frage kam am Samstag aus dem Publikum. Knapp 200 Interessierte waren in die Bremer Angestelltenkammer gekommen um einen Tag lang über „Bremens Sanierung – Weg ohne Ausweg?“ zu diskutieren.
Im Ausgangspunkt waren sich Erich Röper (CDU), Helmut Zachau (Grüne) und Carsten Sieling (SPD) weitgehend einig. Das Konzept „Sparen und Investieren“ habe weder zu Steuer-Mehreinnahmen noch zu mehr Arbeitsplätzen geführt, fasste Zachau die bisherigen Sanierungs-Bilanz zusammen, und die Schulden wachsen weiter. Für den Juristen Erich Röper ist Bremens mittelfristige Finanzplanung für die Jahre nach dem Ende der Sanierungs-Hilfen schlicht rechtswidrig: Drei Prozent Neuverschuldung gemessen am Bruttoinlands-Produkt erlaube der EU-Vertrag, auch Deutschland habe für dieses finanzpolitische Korsett gestritten, um grenzenloses Schuldenmachen zu verhindern. Eine Milliarde Mehrverschuldung allein des kleinen Landes Bremen würde den Rahmen dieser drei Prozent sprengen.
Wenn das Bremer Finanzressort ab 2005 von einer Milliarde Mark jährlicher Neuverschuldung ausgehe, dann bedeute das jährlich 60 Millionen Mark zusätzlichen Zins-Dienst. Offensichtlich könne das keine Perspektive sein, meinte Röper. „Glaube, Liebe, Hoffnung“ stecke dahinter, spottete Zachau, und auch das Wort des früheren Bremer Bürgermeisters Klaus Wedemeier vom „milliardenschweren Strohhalm“ wurde dankbar zitiert.
Auf neue Hilfe des Bundes kann Bremen für die Zeit nach 2005 nicht rechnen: „Die beiden begünstigten Länder (Bremen, Saarland, d. Red.) sind auf den Wegfall dieser Zuweisungen vorbereitet“, hatte das Bundesverfassungsgericht deutlich drohend geurteilt, „andere können auf das Auslaufen bauen.“
Auch die Strategie des Bremer Finanzsenators Hartmut Perschau, die Länder gegen den Bund zusammenzuführen, taugt für den SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Carsten Sieling nur zu „billigen Schlagzeilen“: „Am Ende wird es auch nicht die Allianz der Schwachen wie 1992/93 geben“, prognostizierte er. Auch deswegen nicht, weil der Bund selber in einer Haushaltsnotlage stecke, woran Karoline Linnert (Grüne) erinnerte. Insbesondere die Bundesergänzungszuweisungen, aus denen Bremen derzeit seine Sanierungs-Milliarden erhält, werde der Bund radikal kürzen, so der ehemalige CDU-Fraktionsgeschäftsführer Erich Röper.
Vor diesem Hintergrund bekomme, so erklärte Carsten Sieling (SPD), die neue Strategie des Bremer Senats ihren Sinn, die „Scherf-Stoiber-Connection“: Als Großstadt sei Bremen ja eigentlich eine wirtschaftlich „starke“ Region, könnte also von etwas mehr „Wettbewerbsföderalismus“ durchaus profitieren. So mache das Investitions-Sonderprogramm (ISP) Sinn, jedoch nicht im Rahmen des alten Länderfinanzausgleichs.
Aber wenn das ISP vor diesem Hintergrund „von Grund auf neu“ definiert werden müsste, wie Prof. Wolfram Elsner, lange Jahre leitender Mitarbeiter im Bremer Wirtschaftsressort das formulierte, wie könnte das aussehen? Vier Punkte schälten sich bei dem Kongress als Konsens heraus:
1. Ziel muss es sein, Bremens Einwohnerzahl zu erhöhen, denn das wird der Maßstab der Finanzverteilung bleiben. Eine Sparpolitik, die Bremen als Wohnort über Gebühr unattraktiv macht, wirkt diesem Ziel entgegen. „Noch ist die Bevölkerung bereit, den Spar-Kurs zu akzeptieren“, meinte Erich Röper. Aber heute schon sei das Durchschnittsalter der Lehrer in Niedersachsen um 10 Jahre niedriger als in Bremen und der Etat des Hannoveraner Theaters so hoch wie der gesamte Bremer Kulturetat: „Viele wollen raus.“ Die Attraktivität des urbanen Lebens müsse gefördert werden – auch durch besondere Reformfreudigkeit ihrer inneren Strukturen, durch Modelle von Transparenz, kommunaler Demokratie und Bürgerbeteiligung.
2. Dazu gehört auch eine Innovations-Strategie. Im Technologiepark seien „Millionen in den Sand gesetzt worden“, sagt Elsner, wenn für Professoren an der Pensionierungsgrenze „Protzbauten“ hingesetzt werden, für deren gewaltige Mieten der Steuerzahler aufkommen muss, dann habe das wenig mit Innovation zu tun. „Raum für Garagen-Firmen“ müsste geschaffen werden, Investitionshilfen für junge Tüftler, die die Kneipe nebenan mehr lieben als den verspiegelten Empfang.
3. Stadtstaaten seien besondere Typen der „Region“, daher erhaltenswert, findet Elsner. Aber sie müssen ihren Sinn für die anderen beweisen. Etwa für die anderen Großstädte, indem sie die „Lobby der Großstädte im Bundesrat“ sind, so Röper. Bremens Finanzprobleme sind die einer Großstadt, andere Großstädte kämpfen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Wenn die Neuordnung des Finanzausgleichs die Großstadt-Probleme löst, dann hilft das auch Bremen.
4. Schließlich muss sich Bremen – „Eigenständigkeit hin oder her“ (Sieling) – mit seinem Umland verständigen. Da geht es, ganz klar, um einen „Lastenausgleich“. Röper war da ein wenig deutlicher: „Ein Entwurf für einen Einigungsvertrag mit Niedersachsen müsste in der Schublade liegen.“ Denn die Eigenständigkeit Bremens sei kein Selbstzweck. Wer seinen Bewohnern auf Dauer nur Opfer verspricht, so die Grüne Fraktionsvorsitzende Linnert, mache die Stadt kaputt. Bremen müsse für möglichst viele Einwohner attraktiv sein – „völlig unabhängig von der Frage der Eigenständigkeit“. K.W.
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