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„Das ist ein Zukunftsgeschäft“

Heute jährt sich der Internationale Hurentag zum 25. Mal. Wie immer fordern Hurenverbände die Legalisierung ihres Berufsstandes. Tobias, 25, Callboy für Männer und Frauen, meint, dass dann allerdings viele aus dem Gewerbe verschwinden

Interview: HEIDE OESTREICH

taz: Callboys für Frauen sind im Trend. Warum kommen Frauen jetzt auf den Geschmack?

Tobias: Heute sagen alle: Ich mach mein Ding und du machst dein Ding. Das machen die Frauen jetzt halt auch.

Würden Sie sich auch als Sexarbeiter oder als männliche Hure bezeichnen?

Nein, als Hure nicht. Frauen werden oft Huren aus dem ökonomischen Zwang heraus, ich mache das aus Überzeugung. Für mich hat es auch nichts mit Sex zu tun, es ist eher dieses Kennenlernen. Man kommt dem Menschen über die Erotik viel näher.

Heute fordern Hurenverbände wieder lautstark die Legalisierung ihres Berufs. Fühlen Sie sich solidarisch?

Sicher. Aber viele machen diesen Job, weil sie das Geld brauchen. Ich glaube, wenn die Legalisierung kommt, man sich outen muss – und Steuern zahlen, dann werden 60 Prozent der Menschen, die jetzt davon leben, wegfallen.

Wie soll die Versteuerung denn funktionieren?

Tja, das fragen Sie mich? Ich kann doch von den Kunden keine Quittung verlangen. Man müsste die Steuer eigentlich pauschalisieren, aber es gibt ja keinen durchschnittlichen Preis für Liebesdienste. Also sollte man erst mal wenigstens erlauben, dass sich die Leute selbst krankenversichern.

Männer suchen schnellen Sex, Frauen suchen Nähe und Romantik. Stimmt das Klischee?

Ja. Mit einem Mann ist die Sache oft in einer halben Stunde erledigt. Bei Frauen können Stunden draufgehen.

Wenn nun die Frauen so viel Nähe suchen, ist es dann schwieriger, die professionelle Distanz zu halten?

Für mich nicht, ich lasse da keine Gefühle zu. Und sag ihnen das auch. Die Frauen wissen genau um das Risiko, dass sie sich verlieben könnten, die spielen auch mit diesem Risiko.

Ist das nun die Erotik der Zukunft: Singles, denen der normale Paarmarkt zu anstrengend oder zu langweilig ist, kaufen sich Erotik?

Ja, das glaube ich schon, dass es sich dahin entwickelt. Das ist ein Zukunftsgeschäft.

Haben Sie eine feste Beziehung?

Nein, das kann ein Normaler, ein Außenstehender nicht mitmachen. Wenn ich eine feste Beziehung hätte und ginge raus, packte auch noch die Kondome ein – das kann keiner aushalten.

Fehlt Ihnen da nicht was?

Nein. Ich glaube, dass das sowieso nicht stimmt, wenn man sagt: Der Mensch sucht Liebe. In Wirklichkeit sucht er den Kontakt zum Mitmenschen, mehr nicht. Deshalb sind ja heute alle Singles. Keiner will heute mehr Verpflichtungen eingehen. Und das täte man mit einer Beziehung ja.

Aber die Frauen, die Sie besuchen, spielen mit der Gefahr, sich zu verlieben, sagen Sie. Dann wollen die aber doch mehr.

Ja, Frauen suchen generell eher eine Bindung als Sex.

Dann ist also diese tolle Erotik der Zukunft eine Männererotik?

Ja, Männer sind da oberflächlicher. Frauen sind intelligenter. Deshalb kommen die ja zu mir.

Sie sind nicht wie die anderen Männer?

Ja, das hat mir die Erfahrung gebracht. Ich merke, was die Kundin will und ob sie zufrieden ist. Mit einem Mann hat man Sex, mit einer Frau ist es Sinnlichkeit.

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