: Glut muss entfacht werden
Gespräch mit dem Fußballer Jens Nowotny, Abwehrchef beim Vizemeister Bayer Leverkusen, über die Chancen der Nationalmannschaft bei der EM und das lästige Image vom ewigen Zweiten
Interview HARTMUT METZ
taz: Herr Nowotny, Spötter meinen, man solle Christoph Daum mit zur EM nehmen, dann käme man wenigstens ins Finale. Welche Mannschaft favorisieren Sie im Kampf um den EM-Titel?
Jens Nowotny: Ich bin frohen Mutes, dass wir eine gute Rolle spielen. Wir haben auf jeden Fall die Qualität, um mit jeder Mannschaft mitzuhalten. Selbst Holland, das uns zuletzt vorführte, sollten wir Paroli bieten können. Potenzielle Kandidaten auf den Titel sind für mich neben den Holländern Portugal, Spanien und England.
Das 3:2 über Tschechien injizierte neues Selbstvertrauen?
Der Sieg schürte neue Hoffnung. Ich denke, dass das 3:2 einige Personen wieder zufrieden gestimmt hat.
Jens Jeremies und Markus Babbel waren zuvor hart ins Gericht gegangen mit der Nationalmannschaft. Der eine nannte den Zustand des Teams „jämmerlich“, der andere assistierte mit den Worten, man spiele seit fünf Jahren einen „Schmarrn“. Es fehle das Feuer.
Wir müssen 90 Minuten kämpfen und rackern. Von den technischen Feinheiten sind wir zur Zeit entfernt, da müssen wir wieder klein anfangen.
Ist wenigstens Feuer für Kampfbereitschaft da?
Die Glut war da, sie muss aber entfacht werden.
Ist es nicht Aufgabe des Bundestrainers, sie zu entfachen?
Jeder in der Mannschaft muss sich selbst motivieren. Wenn ein Profi dazu einen Bundestrainer benötigt, hat er den Beruf verfehlt.
Sie beklagten das fehlende spielerische Moment. Beinlich wurde ausgebootet – vielleicht wegen dem verlorenen Spiel in Unterhaching, das die Meisterschaft kostete. Zudem strich Erich Ribbeck Oliver Neuville aus dem Kader und nominierte stattdessen fast nur Strafraumstürmer.
Es ist schade, dass beide fehlen. Die Begründung von Erich Ribbeck kenne ich nicht.
Beinlich spielte doch überragend; vor allem im Vergleich zum Herthaner Dariusz Wosz.
Sicher, gerade in der Rückserie war er überragend. Für ihn ist es doppelt schade, wenn er binnen weniger Tage zwei solche Rückschläge erhält. Auf beide Ziele investierte er viel Arbeit und Energie und steht letztlich mit leeren Händen da. Das ist schade. Vergleiche mit Dariusz möchte ich keine ziehen. Über dessen ständige Leistungen fehlt mir der Einblick.
Fürchten Sie um den deutschen Teamgeist? Auf der einen Seite stehen fünf Leverkusener im Kader, auf der anderen sechs Bayern.
Ach, es ist immer die gleiche Situation wie innerhalb einer Vereinsmannschaft: Man trainiert gegeneinander, probiert, sich den Schneid abzukaufen, am Samstag stehen aber wieder elf Leute gemeinsam auf dem Platz. So ist es auch in der Nationalmannschaft. Es geht einfach nur um den Erfolg. Deshalb sehe ich in der Rivalität aus der Bundesliga kein Problem.
Schon seit Ihren Zeiten beim Karlsruher SC werden Sie als potenzieller Abwehrchef der Nationalmannschaft gehandelt. Werden Sie das endlich nach der EM? Oder müssen Sie das 200. Länderspiel von Lothar Matthäus abwarten?
Och, da mache ich mir keine Gedanken darüber. Ich probiere, meine Leistung zu bringen. Alles andere kommt dann von alleine. Klar traue ich mir die Rolle zu, aber es ist immer die Frage, auf welcher Position ein Spieler wichtiger ist für den Trainer.
Sie sagten nach der verpassten Meisterschaft, das Schlimmste seien die zu erwartenden Zusprüche, Leverkusen habe den Titel verdient. Wie oft haben Sie das Schlimmste in den Tagen danach erlebt?
Es hielt sich in Grenzen, weil ich nicht viel Kontakt zur Öffentlichkeit hatte.
Verschanzten Sie sich wegen der Enttäuschung?
Nein, ich bin prinzipiell keiner, der groß rausgeht.
Ihr Manager Reiner Calmund erklärte: „Wenn ich heute einen Fünf-Jahres-Vertrag erhielte, in dem garantiert wird, dass wir fünfmal Vizemeister würden – ich würde ihn unterschreiben.“ Sie auch nach drei zweiten Plätzen in vier Jahren?
Das sagte er natürlich aus finanziellem Gesichtspunkt, weil die Teilnahme in der Champions League gesichert wäre. Das sportliche Ziel sollte immer die deutsche Meisterschaft sein.
Einerseits bot Ihr Team attraktiven Fußball und kam weg von Bezeichnungen wie Werkself und Pillendreher. Andererseits steht Bayer Leverkusen nun im Ruf des ewigen Zweiten. Wie hat sich das Image des Klubs verändert?
Fest steht, dass sich das Image änderte. Egal nun, ob es jenes des ewigen Zweiten oder des sympathischen Verlierers ist. Immerhin trugen wir ein bisschen dazu bei, weg von der Werkself zu kommen. Das ist ein positiv zu bewertender Wandel und Fortschritt.
Endet der Name des nächsten Deutschen Meisters auch mit „n“? Oder müssen Sie doch irgendwann von Bayer zu Bayern wechseln?
Ich denke, er endet mit „n“! Man kann das ja auf Leverkusen, München oder Berlin beziehen. Nur Dortmund schiede aus. Ich hoffe auf ein erneut spannendes Rennen, vielleicht mit der ein oder anderen Mannschaft mehr.
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