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„Wohnen am Europahafen“– nach 2011

■ Hafenreviere bleiben Industriegebiet / Aber: Fa. Dittmeyer soll Schuppen 3 abgeben / Großmarkt stört in langfristiger Perspektive

Viel Status-quo-Denken und wenig stadtplanerischer Mut kennzeichnet die jetzt dem Senat vorliegende „Entwicklungskonzeption zur Umstrukturierung des Hafenreviers rechts der Weser“. Geld für eine neue Nutzung dieser innenstadtnahen Flächen ist für die kommenden Jahre nicht im Etat einge-plant, abgesehen von den 200 Millionen Mark für die Umsiedlung des Großmarktes. So wird nach der jetzt vorgelegten „Entwicklungskonzeption“ bis zum Jahre 2005 auch wenig anderes passieren, mit der Ansiedlung des Großmarktes werden andere Entwicklungsoptionen weitgehend verstellt.

Dies war auch schon der Stand der Planungen vor einem Jahr, als eine „Staatsrätearbeitsgruppe Umstrukturierung der Hafenreviere rechts der Weser“ dem Senat vorgelegt hatte. Die Frage, was mit den brachfallenden Flächen passieren soll, bewegt den Senat schon länger. Vor zehn Jahren hatte der Häfensenator Uwe Beckmeyer (SPD) noch diese alten Hafenreviere in seinem „Hafenstrukturkonzept“ als zukünftiges Umschlagsgebiet vorgesehen: Der Binnenschiff-Umschlag würde sich deutlich erhöhen, war damals die Prognose, dafür brauche man viel Lagerkapazitäten an den Flussmündungen. Ein Stück weiter, auf dem ehemaligen Gelände der AG Weser, investierte der Wirtschaftssenator in eine „Zentrale Montage- und Umschlagsstätte für den Großanlagenbau“.

Wenn man in der vorgelegten „Entwicklungskonzeption“ nach den Gründen sucht, warum hier keine moderne Stadtplanung eine hochwertigere Nutzung möglich machen soll, dann stößt man auf eine Serie von Fehlentscheidungen vergangener Jahre. Das begann mit dem Abbau der Straßenbahn-Verbindung Ende der 60er Jahre, die einmal die Hafenreviere mit der Innenstadt verband. Heute wird die schlechte Verkehrs-Anbindung und der fehlende ÖPNV als ein Grund angeführt, der einer stadtplanerisch hochwertigeren Entwicklung entgegensteht.

Die Chance, die alten Hafenbe-cken für eine attraktive Stadtentwicklung (wie sie etwa Hamburg betreibt) zu nutzen, hatte der Senat durch die Zuschüttung des Überseehafens verbaut. Mitten in die alten Hafenreviere, so der Beschluss, soll der Großmarkt mit seinem erheblichen LKW-Verkehr umziehen, der derzeit in der Nähe der Autobahn am Flughafen seinen (verkehrsgünstigeren) Ort hat. In dem Bereich hinter dem geplanten Großmarkt sehen die Gutachter, die der Senat beauftragt hat, noch die Chance für Wohnungsbau „am Wasser“ und moderne Büro-Nutzungen – bis zu 2.400 Wohneinheiten könnten da entstehen – ein „Potenzial für einen hochwertigen, innenstadtnahen zukunftsorientierten Gewerbe-, Dienstleistungs- und Wohnstandort (Wohnen und Arbeit)“. Die Arbeitsgruppe des Senats korrigierte diese Perspektive der Gutachter aber nach unten: Nur ca. 1.000 Wohneinheiten könnten da entstehen, da die umliegenden (Großmarkt-)Betriebe Erweiterungsflächen brauchten. 1.000 Wohneinheiten aber seien für ein Stadtquartier zu klein, also soll in den nächsten Jahren dort erst mal nichts passieren. Der historische „Speicher XI“ mit seiner attraktiven Fassade, ein vor sich hingammelndes Prunkstück in den alten Hafenrevieren, soll daher auch in Zukunft vor allem für Lagerei genutzt werden.

Eine weitere Beschränkung sorgt der Senatsbeschluss, den Betrieben im Hafengebiet umfassender Bestandsschutz zu garantieren. Und dies, obwohl auch die Arbeitsgruppe davon ausgeht, dass „Nutzungsänderungen ... in großer Zahl zu erwarten“ sind. Aber auch wenn jetzt einer der verbliebenen alten Hafenbetriebe die Tore schließt und der Grundstücksinhaber sein Grundstück durch moderne Nutzung aufwerten will, darf er das nicht, solange daneben noch altes Gewerbe betrieben wird.

Dass eine absolute Bestands- und Erweiterungsgarantie nicht sein muss, zeigt das Beispiel Großmarkt: Für dessen Umzug spendiert der Senat mehr als 200 Millionen Mark. Der Großmarkt soll vom Flughafen weg, weil dort Bürohäuser und die Stadtautobahn A 281 geplant werden – am neuen Standort steht er jeder Idee, hier mit einer modernen „Hafen-City“ die Stadt im Kern zu erweitern, im Wege.

Auf ein Problem für eine moderne Stadtentwicklung im Bereich der Hafenreviere haben die Gutachter vom (staatlichen) Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung (BAW) hingewiesen: Solange Büros in die Außenbereiche der Stadt auf die grüne Wiese in attraktive Bürostandorte gelockt werden, könnte es an der Nachfrage für eine (teurere) Innenentwicklung der Stadt fehlen.

Am Europahafen-Becken, das (noch) nicht zugeschüttet wurde, hat der Senat die Behinderung einer Aufwertung dieser Flächen dadurch festgeklopft, dass dem Apfelsinensaft-Hersteller Dittmeyer mehr als einen Kilometer Süd-Kaje auf 66 Jahre in Erbpacht abgetreten wurde. Die riesigen Hallen stehen auch heute weitgehend leer. Da Dittmeyer diese Hallen nicht für seinen Betrieb braucht, soll mit ihm verhandelt werden, wenigstens den „Schuppen 3“ an die Stadt zurückzugeben im Tausch mit einer anderen Fläche. Die Bewohner von Walle sollen hier einen kleinen Zugang zu „ihrer“ Hafenkaje erhalten.

Will man nicht tote Bürostandorte (wie im Technologiepark oder am Flughafen), dann kommt der Funktion „Wohnen“ eine „Initialfunktion“ zu. Auch für die Gutachter haben die Senatsentscheidungen der letzten Jahre dazu nur neue Hindernisse geschaffen: „Langfris-tig gesehen besitzen die Alten Hafenreviere eine gute Eignung für Wohnnutzung. Dies gilt insbesondere für die Bereiche entlang der Weser bzw. der Hafenbecken. ... Voraussetzung hierfür wäre allerdings die Verlagerung aller belas-tenden Industrie- und Gewerbebetriebe aus den alten Hafenrevieren. Dazu gehörten auch der Großmarkt, der einen der zentralen Standorte im Gesamtgebiet einnimmt, sowie die (derzeit erst geplanten, K.W.) umliegenden Unternehmen (Frischzentrum, Hameico etc).“

Selbst die neue Erschließung des citynahen Bereiches „zwischen Südkaje Europahafen und Weser“ ist in der jetzt vorliegenden „Entwicklungskonzeption“ auf die „Zeit nach 2011“ vertagt. Bis dahin, das zeigt der Blick zurück auf die längst aufgegebenen Planziele von 1990, ist noch viel Zeit für neue Arbeitsgruppen. K.W.

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