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„Verhandlungslösung hat oberste Priorität“

■ SPD-Kritik am CDU-Innensenator: Bernt Schulte schürt Ängste der Bevölkerung

In der Koalition ist die Stimmung gereizt. Die SPD will einigen, aus CDU-Sicht wesentlichen Änderungen im Bremer Polizeigesetz nicht zustimmen. Dazu gehört neben der verdachtsunabhängigen Kontrolle die Videoüberwachung und der „finale Rettungsschuss“.

taz: Innensenator Bernt Schulte (CDU) sagt, in Bremen hätte man ein Geiseldrama nicht wie in Luxemburg beenden können. Motto: Weil die Bremer SPD den gezielten Todesschuss ablehnt, hätte die Einsatzleitung eine Erschießung des Geiselnehmers nicht anordnen können. Wollen Sie die Bremer Polizei behindern?

Hermann Kleen, innenpolitischer Sprecher der SPD: Es ist verwerflich, dass ausgerechnet der Innensenator Ängste schürt, als könne die Bremer Polizei nicht eingreifen und Kinder aus der Hand von Geiselnehmern retten. Noch nie hat die Beendigung einer Geiselnahme unter der Rechtslage gelitten. Allerdings muss der Schuss-waffengebrauch in Bremen freigegeben werden. Was den Todesschuss und Luxemburg betrifft, muss man aber feststellen: Der Täter lebt ja noch. Für mich ist deshalb unklar, ob der finale Rettungsschuss da angeordnet war. Möglicherweise war nur der Schusswaffengebrauch freigegeben. Das wäre in Bremen auch möglich.

Trotzdem fordert der Innensenator „eine klare gesetzliche Regelung“.

Rechtssicherheit ist heute schon gegeben. Ein Polizist, dessen Leben bedroht wird, kann das Notwehrrecht für sich beanspruchen. Das Rechtsinstrument der Nothilfe steht zur Verfügung, wenn bei einem Polizeieinsatz in Bremen ein Geiselnehmer getötet werden würde. Wenn Beamten korrekt handeln, sind sie rechtlich zu hundert Prozent abgesichert. Strittig ist ja nicht der Schusswaffengebrauch an sich, sondern nur die Anweisung, einen Geiselnehmer gezielt zu erschießen.

Das will der Innensenator.

Im schlimmsten Fall könnte das zu einer Situation der organisierten Unverantwortlichkeit führen. Bei einem unglücklich verlaufenen Einsatz, könnte sich der Schütze auf den Befehl berufen – und auch der Polizeiführer kann vielleicht belegen, dass er die Situation am Ende nicht richtig beurteilen konnte, weil ihm ein Quentchen Information fehlte. Sowas soll auf gar keinen Fall passieren.

Heute wird dem Schützen, der die Situation vor Ort am besten beurteilen kann, vom Polizeiführer der Waffengebrauch freigegeben. Ich will, dass auch weiterhin gilt: Wer schießt, übernimmt die Verantwortung. Ich will nicht, dass der Bremer Staat anordnet, einen Menschen zu erschießen. Überhaupt: Was passiert eigentlich, wenn der nur leicht verletzt wird? Ist das dann ein dienstrechtliches Vergehen? Absolute Priorität der Bremer Polizei muss die Verhandlungslösung bleiben. Sie ist in den Fällen, die ich kenne, das Sicherste für die Geiseln gewesen. Deren Rettung steht im Vordergrund.

Der Senator argumentiert auch, dass die Polizeigesetze anderer Länder – auch im SPD regierten, von der PDS tolerierten Sachsen-Anhalt – den „finalen Rettungsschuss“ im Gesetz haben.

Nach meiner Information wird in diesen Ländern nicht vom Polizeiführer angeordnet: „Du erschießt jetzt den Täter.“ Vielmehr wird der Schusswaffengebrauch freigegeben und auch hier trifft der Schütze vor Ort die letzte Entscheidung darüber, wohin er zielt.

Fragen: Eva Rhode

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