: Radcke recht einsam
Scharfe Angriffe auf die Bundessprecherin, die mit ihrer Kritik am Atomkonsens ziemlich allein steht. Auch Gewerkschaften stimmen zu
BERLIN afp/dpa/taz ■ Zwei Tage nach der Einigung zwischen Stromversorgern und Bundesregierung über den Atomausstieg bekommt er auch den Segen der Gewerkschaften. Der ÖTV-Vorsitzende Herbert Mai nannte den Konsensbeschluss am Wochenende im Deutschlandfunk „sozialverträglich“. Denn als Alternative würden unter anderem erneuerbare Energien und die Kraft-Wärme-Koppelung ausgebaut – „alles Bereiche, die Arbeitsplätze schaffen“, sagte Mai.
Mai gab sich verwundert, „dass einige bei den Grünen jetzt aus dogmatisch-fundamentalistischen Gründen“ den Konsens ablehnten. Doch dafür, dass es beim Atomausstieg um eine Herzensangelegenheit der Grünen geht, hält sich die Debatte äußerst im Rahmen. Auch am Wochenende überwogen seitens grüner Prominenter die zustimmenden Stellungnahmen.
Das glich Bundesvorstandssprecherin Antje Radcke mit der Heftigkeit ihrer Wortwahl aus: „Die Grünen betreiben Augenwischerei und sagen nicht ehrlich, was dieser Beschluss bedeutet“, schimpfte sie im Berliner Tagesspiegel. Es gebe einen unauflöslichen Gegensatz zwischen grüner Politik und diesem Ausstieg.
Die beiden Kandidaten für den Parteivorsitz, Renate Künast und Fritz Kuhn, unterstützten dagegen das ausgehandelte Ergebnis. Joschka Fischer und Jürgen Trittin warben ebenfalls erneut für den Konsens. Auch aus den Landesverbänden überwogen zustimmende Äußerungen.
Künast griff Radcke heftig an: „Alle sollten sich davor hüten, den Spaltpilz in die Partei zu tragen“, kommentierte sie die Äußerung Radckes, wonach ein Parteitagsbeschluss für den Atomkonsens ein Drittel der Partei in die Abspaltung treiben könnte.
Scharf kanzelte Reiner Priggen, der Vizefraktionschef der Grünen in Nordrhein-Westfalen, Antje Radcke ab. Es gebe Leute bei den Grünen, „die eine ausgesprochen dümmliche Tendenz haben, das auch noch als Niederlage runterzuquatschen“.
Künast erklärte, die Grünen müssten ihren Zweck neu bestimmen, wenn der Atomausstieg da sei. „Wir brauchen eine personelle Erneuerung, neue Arbeitsstrukturen, und wir müssen unsere Themen auf die modernen Fragestellungen umbauen.“ Auch die Union könne langfristig ein Koalitionspartner auf Bundesebene werden. Ähnlich äußerte sich die niedersächsische Parteichefin Heidi Tischmann: Sie will die Partei in den Ländern künftig auch für Koalitionen mit der CDU offen halten. Mit der Union wäre freilich selbst der Atomkompromiss in seiner jetzigen, aufgeweichten Form nicht zu machen. URB
Hinweis: In unserer Wochenendausgabe ist uns auf Seite drei leider ein Fehler unterlaufen: Der Beitrag von Rebecca Harms, der Fraktionsvorsitzenden der niedersächsischen Grünen, erschien in einer vorläufigen Fassung. Die endgültige Fassung ihres Beitrages zum Atomkonsens-Streit wird ab morgen in der Internet-Ausgabe der taz zu lesen sein. Sorry!
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