piwik no script img

Überall kw-Vermerke

Wenn keine Namen zählen, sondern nur noch öffentliche Gelder, hat es auch ein Szenebezirk schwer: In Friedrichshain geht das Galeriesterben um

von RALF HANSELLE

Ab heute ist Schluss. Fünfzehn Jahre Fototradition in Friedrichshain werden vom Bezirksamt mit einem kleinen kw-Vermerk – „künftig wegfallend“ – zu den Akten gelegt. Die Fotogalerie am Helsingforser Platz, schon zu Zeiten der DDR ein Aushängeschild für europäische Fotografie, wird pünktlich zur Jubiläumsfeier geschlossen. Ein Geburtstagsgeschenk der besonderen Art.

Gewusst hat man davon schon seit Monaten. „Vor gut einem Jahr“, sagt Galeristin Renate Hänel, „stellte mich Kulturdezernentin Jutta Richter vor vollendete Tatsachen“. Entweder würde gleich geschlossen, so dass Frau Hänel ihre letzten Jahre auf einer Verwaltungsstelle zubringen müsse, oder sie solle sich bereit erklären, mit sechzig in den Ruhestand zu gehen.

Renate Hänel entschied sich für Letzteres, und so konnte die Galerie noch ein weiteres Jahr ihre Türen offen halten. Die Kulturdezernentin erinnert sich anders an den Vorfall: Frau Hänel, so die Auskunft im Bezirksamt, hätte schon lange vorher den Wunsch geäußert, mit dem sechzigsten Lebensjahr in Rente zu gehen, und so habe man eine Chance gesehen, die Stelle sozialverträglich zu streichen. Wie auch immer: Die Schonfrist der Galerie ist mit dem 30. Juni abgelaufen. Im Erdgeschoss eines typischen Ostberliner Plattenbaus, das das Bezirksamt für die Galerie anmietet, steht man den Entwicklungen noch immer verärgert gegenüber. „Dass mit der Streichung der Stelle gleich die ganze Galerie mit hinten rüberfallen würde, muss dem Kulturamt doch von Anfang an klar gewesen sein“, sagt Hansgert Lambers, Vorsitzender des zwanzig Mitglieder umfassenden Fördervereins, der sich vor Wochen schon aufgelöst hat.

Zwar steht das Bezirksamt in Verhandlungen mit dem Friedrichshainer Maler und Fotografen Günther Schaefer, der großes Interesse daran zeigt, die Ausstellungsräume ab September weiterzuführen. Doch seine Vorstellungen haben mit der ursprünglichen Galerie nicht mehr viel gemeinsam. Mit Videokunst, Skulpturen und Malerei will er die Galerie runderneuern.

„Wir haben hier seit fünfzehn Jahren renommierte Fotografen ausgestellt und einen Ruf erarbeitet, der weit über die Grenzen Berlins hinausgeht, und jetzt kommt ein Herr Schaefer, der hier einen Gemischtwarenladen eröffnen will.“ Renate Hänel ist erbost und das nicht zu Unrecht. Denn neben der inhaltlichen Reform ist bereits beschlossen, dass der Bezirk für Günther Schaefer die Miete zahlt, während dieser die Räume für kommerzielle Zwecke nutzt.

Als Renate Hänel 1991 vom Bezirksamt eingestellt wurde, konnte man in der Galerie bereits auf eine, wenn auch kurze, so doch recht erfolgreiche Tradition zurückblicken. Einzelpräsentationen wie eine der ersten Werkschauen Ulrich Wüsts sowie Gruppenausstellungen zur Geschichte der DDR-Fotografie oder zur frühen Portraitfotografie in Polen haben der Galerie zu einem internationalen Renommee verholfen. Auch nach der Wende hat sich daran nicht viel geändert. Unter der Leitung von Hänel gab es Einblicke in die Werke Knut Firchaus, Abe Freindlichs und sogar Robert Capas.

Doch die Kulturdezernentin des Bezirks Friedrichshain bleibt unbeeindruckt. Für sie zählen nicht große Namen, sondern einzig die öffentlichen Gelder. Für einen Stadtbezirk, der nach Lebensqualität und neuen Konturen sucht, sicher keine gute Voraussetzung. „Wir müssen halt leider im Personalwesen kürzen. Und mittlerweile ist es egal, in welcher kulturellen Institution wir eine Stelle streichen“, sagt Richter, „jedesmal ist damit auch sogleich die gesamte Einrichtung gefährdet.“

Bedauerlich, schließlich ist die Fotogalerie nicht der einzige Ausstellungsraum, der in Friedrichshain zur Disposition steht. Die Zukunft der Turmgalerie am Frankfurter Tor etwa ist ebenfalls ungewiss. Auch hier sucht der Bezirk nach Wegen, sich finanziell zurückzuziehen. Die angedachte Lösung: eine Kunstkneipe. Auf diese Weise hätte man nicht nur die Miete gespart, sondern gleich die gesamte Institution privatisiert. Vielleicht wird es einen Kulturstandort Friedrichshain bald nur noch auf den Fotografien Georg Krauses oder Ulrich Wüsts geben. Die nämlich haben mit der Fixierung von verschwindenden Stadtlandschaften einschlägige Vorarbeiten geleistet. Dass solche Fotografien dann aber auch in Berlin zu sehen sind, ist nicht mehr sicher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen