Polittalk um Homos: Halbzeit-Bilanz
■ Homo-Ehe, Steuerrecht und Gleichstel-lung – was hat rot-grün bisher gebracht?
Eine Woche nach dem Christopher-Street-Day, eine Woche nach der angeblichen Einigung zum Gesetzentwurf über gleichgeschlechtliche Partnerschaften – „was hat der Regierungswechsel eigentlich für Schwule und Lesben gebracht“, wollte das Rat & Tat Zentrum für Schwule und Lesben wissen. Und fragte nach bei Bremens Bundespolitikern: Bei Volker Kröning (SPD) und Marie-Luise Beck (Grüne). Denn es war Halbzeit für Rot/Grün in Berlin/Bonn.
Rund 40 Interessierte lockte die Bilanz nach zwei Jahren Regierungsmacht aus schwul/lesbischer Sicht am Freitag ins Bürgerhaus Weserterrassen. Eine Politveranstaltung, in der rot und grün schon mal ein bisschen Wahlkampf betrieben. Ein bisschen gegeneinander, aber noch viel mehr gegen Konservativ.
Zwei Jahre hat es gedauert, bis der erste gemeinsame rot/grün Entwurf für eingetragenen Lebensgemeinschaften auf den Tisch kam. „Gut, dass es so lange gedauert hat“, meint Beck: Das hartnäckige Verhandeln mit der SPD habe sich gelohnt, der jetzige Entwurf, zeige deutlich mehr Gleichstellung für Schwule und Lesben.
Für den SPD-Politiker Kröning ist der jetzige Entwurf, der noch durch den Bundestag und – weit schwieriger – den Bundesrat muss, „meiner Meinung nach beinahe vollständig“, das Standesamt für Homosexuelle in greifbare Nähe gerückt. „Die Ehe ist so ein grundlegendes Merkmal – da bohren wir am Nerv der sozialen Grundordnung“, meint auch Moderator Rüdiger Lautmann.
Die grüne Beck plauderte erst einmal über die „Gesetzwerdung“, die sie am „Katzentisch der Arbeitsgruppe“ verfolgt hatte. Weit über 100 Gesetze – vom Steuerrecht bis zur Krankenversicherung – werden durch den Entwurf tangiert. Diskussionen hat es vor allem im Sozialressort um die Kosten gegeben. „Kosten dürfen uns nicht schrecken“, erklärt Finanzexperte Kröning als sei er schon im Wahlkampf. Allzu teuer dürfte es aber dennoch nicht werden.
Die nächste strittige Frage: Verlöbnisse. Für Schwule ein wichtiges Symbol. Für Lesben eher ein Rattenschwanz alter Ehevorstellungen, glaubt Beck. In anderen Ländern habe es zwischen 2.000 und 18.000 Verlöbnisse gegeben, in Deutschland sei die Zahl womöglich kleiner, schätzt Kröning.
Von der Abschaffung des Homosexuellen-Paragraphen 1969 bis zum gemeinsamen Gesetzentwurf – das sei schon eine „ziemlich rasende Entwicklung in den letzten 31 Jahren“, meint Beck. Zur Verfolgung Homosexueller soll es bald eine Stellungnahmen der Regierung gegen, erklärt auch Krönung. Noch nächste Woche werde ein Entwurf diskutiert, wonach sich der „Bundestag entschuldigt für die bis 1969 andauernden Verfolgung von Homosexuellen“.
Viel schwieriger wird aber der Bundesrat. Den muss der Gesetzentwurf noch passieren, und da fehlt rot-grün die Mehrheit. „Ich bin pessimistisch“, gesteht Beck: „Möglicherweise müssen wir anschließend mit einem Torso des jetztigen Entwufs leben.“ In der Bundesratsabstimmung sei man vor allem auf die Stimmen der Länder mit einer großen Koalition angewiesen, erklärt Kröning. Er setzt deshalb darauf, die Bremer CDU mit ins Boot zu holen, den Vorsitzenden der Konservativen Bernd Neumann herauszufordern. „Ich erwarte, dass die großen Koalition in Bremen, die sich gerne als Koalition der Modernisierer ausgibt, sich an dieser Stelle nicht auch ins Abseits stellt.“
Das sehen die Politiker im Publikum nicht anders: „Da müssen wir eine Strategie entwickeln“, meint Jörg Hutter von den Grünen. Um ein Klima zu erzeugen, „dass Bremen nicht umhinkommt, im Bundesrat dafür zu stimmen.“ pipe
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