piwik no script img

König von Karlsruhe

Dieter Pfaff glänzt in einer komödiantischen Leib- und Magenrolle („Krieger und Liebhaber“, 20.15 Uhr, ARD)

Die Welt ist nicht Ordnung. Nicht mal in Karlsruhe. 40 Jahre herrschte Cäsar Klein (Hilmar Thate) über den beschaulichen Rotlicht-Betrieb der Stadt, doch jetzt machen sich skrupellose junge Gangs in seinem Revier breit. Erst kriegt er ein Paket mit toten Karpfen, die ihm signalisieren sollen, dass er bald „bei den Fischen“ ist, und wird schließlich mit Drohungen geradezu überschüttet. Eigentlich müsste er mal wieder so richtig durchgreifen.

Doch eigentlich brutzelt er viel lieber mit seinem Leibkoch Alfons (Dieter Pfaff) zu den Klängen von Puccini. Und nachdem er seine Geliebte Milena (Marie Bäumer) dabei erwischt hat, wie sie sich unten im Weinkeller einem italienischen Lieferanten hingegeben hat, kann sich der zaudernde Mafioso nur auf Drängen der energischen Mutter durchringen, die Untreue zu beseitigen. Der Mob menschelt. Das weiß man spätestens, seitdem die Unterweltkönige im amerikanischen Kino und TV nur noch als Nervenwracks mit kränkelndem Ego an ihrer Pasta knabbern. So gesehen lässt sich „Krieger und Liebhaber“ durchaus als Antwort auf „Reine Nervensache“ oder „Die Sopranos“ sehen. Es geht in der deutschen Kopie zwar nach den Regeln hiesiger Komödien überdrehter und folkloristischer zu als in in den Originalen, die Botschaft aber bleibt die gleiche – Paten sind auch nur Menschen. Und Cäsar Klein, den der als „König von St. Pauli“ einst wenig überzeugende Thate mit melancholischer Grandezza gibt, ist wirklich ein besonders guter Mensch: Weil die Mama endlich mal beim Preisausschreiben eines Rätselhefts einen Toaster gewinnen soll, lässt er kurzerhand den verantwortlichen Redakteur entführen. Mutterliebe, Racheschwüre und Fressorgien – „Krieger und Liebhaber“ lässt wirklich kein Mafia-Klischee aus.

Und auch mit Gags und Gimmicks wird nicht gerade gespart: Da dürfen schon mal im Stil von „Manche mögen’s heiß“ Maschinengewehrsalven neben Männern auf der Latrine einschlagen oder Revolverpatronen in Zeitlupe aufs Publikum zufliegen. Keine Frage, technisch und stilistisch ist dieser Film perfekt gemacht.

Hobby-Regisseur Udo Wachtveitl, der im Hauptberuf als immer hungriger Kommissar des Münchner „Tatort“ so manches italienische Buffet leerräumt, ist vor allem an den komischen und kulinarischen Aspekten der Geschichte interessiert. Denn „Krieger und Liebhaber“ kommt nicht etwa als bleiernes Psychogramm eines alternden Verbrechers daher, es ist vielmehr eine bumsfidele Operette über das Ganovenleben. Weshalb der Held am Ende auch nicht, wie sonst üblich, im Kugelhagel Sühne leisten muss, sondern mit seinem Koch gemeinsam ein Restaurant eröffnen darf. In Karlsruhe ist die Welt dann doch noch in Ordnung. CHRISTIAN BUSS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen