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Das Planungs-Paradox

Bürgermeister Runde diskutiert mit Architekten über die Metropole  ■ Von Gernot Knödler

Volkwin Marg hat Spaß daran, sich aus dem Fenster zu hängen. „Die Entscheidung, dass man mit der Hafencity Altenwerder finanziert, ist mehr als legitim“, sagte der Star-Architekt am Dienstag Abend im Architektur-Centrum. Mit Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und Prof. Hartmut Häußermann von der Humboldt-Uni in Berlin diskutierte er die Entwicklung der Metropole Hamburg. Alle drei waren sich einig, dass die Stadt von den Gegensätzen lebt, die sie umschließt, und davon, dass sie an das historisch Gewachsene anknüpft. Inwiefern diese Erkenntnisse beim Bau der Hafencity eine Rolle spielen werden, blieb offen.

Metropolen lebten heute davon, dass sie den Nervenknoten der neuen Wirtschaft ein anregendes kulturelles Umfeld bieten können, sagte Häußermann. Sie repräsentierten „die Vielfalt und den Reichtum der Kulturen der Welt“. Aus den Widersprüchen entstehen neue Ideen, auf die nicht zuletzt die Wirtschaft angewiesen ist. Wesentlich hierfür sind unkontrollierte Räume, die Experimente ermöglichen. Runde griff das auf, indem er vom Schanzenviertel als „Chancenviertel“ sprach.

Alle politischen Entscheidungen zur Stadtentwicklung, so Häußermann, sollten sich an den Zielen der Ungleichheit, Ungleichzeitigkeit und Ungleichwertigkeit orientieren: erstens an der Vielfalt der Lebensstile, Ethnien und Einkommen; zweitens am Vorhandensein unterschiedlicher Bauepochen und Lebensrhythmen; drittens an unterschiedlich teuren Grundstücken, die auch Projekten mit wenig Geld Chancen lassen.

Dass sich mit Engagement viele Planungssünden verhindern lassen, bewies Volkwin Marg mit einem Streifzug durch drei Jahrzehnte Hamburger Stadtbau-Geschichte. Die Autobahnen durch die Stadt sind nicht gekommen, die Fleete wurden nicht zugeschüttet, der Abriss des Karo-Viertels wurde verhindert und Hamburg hat sich darauf besonnen, dass es ein „amphibisches Wunder“ (Marg) ist.

Der vitale Flusshafen sei einzigartig auf der Welt – „ein totales Alleinstellungsmerkmal!“, so Marg enthusiastisch. Gegensätze wie der zwischen dem Containerhafen und dem Strand in Övelgönne machten den Charme der Stadt aus. Es sei daher entscheidend, den Hafen lebendig zu erhalten, also den Container-Terminal in Altenwerder zu bauen.

Margs Optimismus, auch die Hafencity könne mit wenigen Mitteln in urbane Bahnen gelenkt werden, traf auf Skepsis. Dieter Läpple von der TU Harburg bat den Senat, die Hafencity von der Bürde Altenwerder zu befreien, um den Verwertungsdruck zu lindern, der auf den Grundstücken lastet. Der Kunsthis-toriker Hermann Hipp warb für Freiräume des nicht Normierten bei der Entwicklung der Hafencity.

Runde wich aus mit dem Hinweis, die Stadt sei auf die Grundstückserlöse aus der Hafencity angewiesen. Billiger Baugrund schaffe nicht automatisch gute Architektur. Im übrigen sei der Planungsprozess für die Hafencity offen. Wie hatte der Bürgermeister in seinem Eingangsreferat gesagt: „Vor uns liegt die städtebaulich spannendste Phase der Nachkriegszeit.“

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