piwik no script img

Ein Staatsbesuch durch die Hintertür

Der Besuch Fidel Castros auf der Expo würde die neue deutsch-kubanische Entspannungspolitik der vergangenen Monate krönen

BERLIN taz ■ Es würde nur allzu gut in die Kuba-Politik der rot-grünen Regierung passen, wenn Fidel Castro tatsächlich zur Expo käme. Denn in der Tat hat sich in Sachen Kuba einiges in der deutschen Außenpolitik bewegt: Erst vor ein paar Monaten hat man, von empörten Zwischenrufen der CDU begleitet, die Entwicklungshilfe mit der sozialistischen Insel wieder aufgenommen.

Kurz darauf wurde die leidige Altschuldenfrage durch ein umfassendes Umschuldungsprogramm geklärt. Mit dieser Lösung wurde zudem der Weg frei für die Wiederaufnahme der Hermes-Export-Bürgschaften; hierauf hatte nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft gedrängt, um für den Handel mit Kuba wieder normale Bedingungen zu haben.

Schließlich setzte Berlin auch in der Besuchsdiplomatie ein Zeichen, als im Mai mit der BMZ-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul das erste Mal überhaupt eine bundesdeutsche Ministerin offiziell die Insel besuchte. Fidel in Hannover, das wäre nun nicht nur ein Gegenbesuch erster Klasse, sondern auch ein international sichtbares Aushängeschild für die neue deutsch-kubanische Entspannungspolitik.

Gleichzeitig aber wäre es kein Staatsbesuch. Einen solchen hätte Fidel Castro gerne gewollt, so ist zu hören, doch die Berliner Regierung wollte so weit nicht gehen. Schließlich ist man in Sachen Kuba auf leise Töne bedacht und an einem Affront gegen die USA wenig interessiert. Doch es gibt nichts Unverfänglicheres als ein Besuch auf der Expo. Zu den Nationentagen etwa gibt es automatisch eine Einladung für alle Staatschefs der in Hannover vertretenen Länder, also auch für Kuba. Und es sind die USA, die auf der Expo fehlen.

Die freundliche Großwetterlage zwischen Berlin und Havanna fällt dabei bemerkenswerterweise in eine Zeit, in der Kuba seine politischen Beziehungen zur EU insgesamt auf einen Tiefpunkt gebracht hat. Hatte die kubanische Regierung mehr als zwei Jahre lang daran gearbeitet, in die Gruppe der mit der EU assoziierten AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) aufgenommen zu werden, so zog sie dieses Gesuch – just als es schon fast angenommen schien – im April mit rabiater Rhetorik zurück. Nachdem die EU-Staaten Kuba in der Menschenrechtskommission der UNO verurteilt hatten, polterte Kubas Außenminister Pérez Roque: Die EU „unterstützt die Verschwörung der USA gegen Kuba“.

Der geplante Kuba-Besuch der EU-Troika, der den vor vier Jahren abgebrochenen politischen Dialog endlich wieder aufnehmen sollte, wurde kurzerhand abgesagt, da er „unnütz“ sei und nur der „Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kubas“ diene. Gleichwohl erhielt Heidemarie Wieczorek-Zeul bei ihrem Besuch in Havanna nur wenige Wochen später einen betont freundlichen und hochrangigen Empfang. Gerade diese Zweigleisigkeit – eine beinharte Rhetorik gegen die EU einerseits und gleichzeitig freundschaftliche Gesten gegenüber den Einzelstaaten – ist typisch für Castros Politikstil.

Für den kubanischen Revolutionsführer ist die Expo ein geeignetes Terrain für diplomatische Initiativen. In den letzten zehn Jahren hat er immer wieder internationale Foren gesucht, vom Umweltgipfel in Rio bis zum Weltsozialgipfel in Kopenhagen, um einerseits Kubas „neuen Internationalismus“ einer friedlichen Wiedereingliederung in die Nach-Kalte-Kriegs-Welt diplomatisch in Szene zu setzen, andererseits aber auch die Sonderstellung seiner politischen Botschaft zu unterstreichen. Höchste Medienaufmerksamkeit war Castro dabei immer gewiss. Er kann sicher sein, dass dies bei der ansonsten so blass gebliebenen Weltausstellung in Hannover kaum anders sein wird.

Für Kuba selbst wäre es aus einem ganz anderen Grund ein besonderes Ereignis, wenn Castro – wie zunächst geplant – am Mittwoch in Hannover aufgetreten wäre. Denn Kubas „Nationentag“ auf der Expo ist der 26. Juli, und dies ist der zentrale Revolutionsfeiertag. Es wäre das erste Mal seit einer halben Ewigkeit gewesen, dass Fidel Castro an diesem Tag nicht persönlich den Kundgebungen auf der Insel beiwohnt. Als kleine Sensation wurde vor einigen Jahren bereits gewertet, als das erste Mal nicht Fidel die Rede an das Volk hielt, sondern sein jüngerer Bruder Raúl Castro, der Chef der kubanischen Armee und designierte Nachfolger Fidels. Damals stand Fidel aber, für alle sichtbar, noch neben Raúl auf der Tribüne. Ein 26. Juli ohne Fidel, das schien in Kuba bislang kaum vorstellbar. Neben den üblichen Sicherheitserwägungen dürfte dies einer der Gründe sein, warum Castros geplante Reise nach Hannover sich nun doch noch verzögert.

In gewisser Weise ist die in Aussicht stehende Fidel-Visite mehr ein Werk des Ministerpräsidenten Schröder als des Kanzlers Schröder. Denn 1996 reiste er als Ministerpräsident von Niedersachsen nach Kuba und traf Castro – und man stellte dabei einen Rückbesuch Castros vage in Aussicht.

BERT HOFFMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen