die cdu in der krise: Vielfalt in der Einfalt
Wer zu lange regiert, weiß einfach nicht mehr, wie Opposition funktioniert – ja, dass man sogar, scheinbar machtlos, machtvoll wichtige Projekte durchsetzen kann. Die SPD brauchte nach ihrer Abwahl 1982 fast sieben Jahre, um dies zu erkennen und zu akzeptieren. Die CDU wird es jetzt nicht schneller schaffen – und das wissen Angela Merkel und Friedrich Merz auch.
Nur: Diese nahe liegende Erkenntnis dürfen sie nicht aussprechen. Also schwadronierten sie gestern nach der CDU-Präsidiumssitzung das Übliche von „reinigenden Gewittern“ (bei denen wieder mal keiner nass geworden ist) und „offenen Aussprachen“ (über die aber nichts mitgeteilt wird). Oder besser noch: Angela Merkel will die „Vielfalt“ in der Partei erhalten und die entsprechende „Flexibilität des Handelns“ fördern. Sprich: Die Parteivorsitzende hat derzeit nicht die Macht, der Partei eine Strategie vorzuschreiben – und irgendwie will sie das anscheindend nicht einmal.
Kommentarvon DANIEL HAUFLER
Merkels Habitus und Duktus führten gestern wieder einmal vor, wie distanziert sie dem politischen Geschäft in der Bundesrepublik gegenübersteht. Statt der Politikerin spricht die Physikerin, wenn sie meint, sie habe sich beim „Kraftfeld Bundesrat“ verrechnet; statt der Parteivorsitzenden äußert sich die wahrheitsliebende Ostdeutsche, wenn sie sagt, das Präsidiumsgespräch sei „ehrlich und aufrichtig“ gewesen. Diese Wortwahl signalisiert den westdeutschen Politprofis ihrer Partei: Die Frau denkt in den falschen Kategorien. Weder zählt in der Politik Aufrichtigkeit, noch lässt sich der Bundesrat physikalisch definieren. Was zählt, ist das Thema Macht.
Viele Unionspolitiker zweifeln seit Merkels Wahl zu Recht, ob ihre Chefin schon bald die Machtfrage stellen und für sich entscheiden kann. Was sie dabei jedoch vergessen: Sie und „die Basis“ haben Angela Merkel gerade wegen ihres skrupulösen Umgangs mit der Macht und ihrer Distanz zum Machtpolitiker Helmut Kohl gewählt. Sie erhofften sich eine Erneuerung der Parteidemokratie und der Unionsprogramme – und zwar langfristig.
Die Herausforderung für die Union ist: Opposition verlangt Programm. Das pragmatische Durchwurschteln als Kanzlerwahlverein ist als Angebot leider schon vorhanden – diesmal als Konsensagentur Schröder. Während der programmatischen Selbsterfindung kann der CDU nichts Besseres passieren als eine aufrichtige Parteivorsitzende, die nur so viel schwadroniert, wie sie halten kann.
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