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In Handschellen

Das urbane Leben im globalen Maßstab: Das „Festival of Vision“ zeigt asiatische Kunst zwischen Videomonitoren und Bambusarchitekturen

von HARALD FRICKE

Jemand hat sie auf der Treppe gesehen. Mit Volker Hassemer. Ganz sicher. Aber nach den Dankesreden zur Eröffnung war sie plötzlich verschwunden. Dabei hätte man sie im Haus der Kulturen der Welt leicht erkannt: big hair wie sonst nur noch Imelda Marcos, bonbonfarbene Kleider und eine straußeneigroße Brosche, die sie vermutlich bei Lloyds versichert. Annie Wong ist eine Art Popstar, ihre Foundation gehört zu den Hauptunterstützern des Festivals für Hongkong-Visionen; und die beiden Art Beatus Galleries, denen sie in Hongkong und dem kanadischen Vancouver vorsteht, sind wichtige Umschlagsplätze für asiatische Kunst.

Trotzdem hat sich Annie Wong in Berlin zurückgehalten und andere Kuratoren auswählen lassen. Während die Dame in den 70er-Jahren noch aus voller Überzeugung in traditioneller chinesischer Malerei ausgebildet wurde, stehen die eingeladenen Projekte für urbanes Leben im globalen Maßstab. So kann man bei der Künstlergruppe Zuni Icosahedron aus Hongkong in den Überresten der Metropole stöbern, die als Environments in schwarzen Black Boxes versteckt wurden. Der Architekt Rocco Yim hat einen Bambuspavillon in den Teich vor dem HdKdW gebaut, der wie ein Gürteltier aussieht. Und Kan Tai-keung präsentiert mit „Cities, Discoveries“ eine Gemäldegalerie aus Städteporträts, die in der Zusammenarbeit zwischen 50 Künstlern und Kindern entstanden sind.

Der zentrale Ausstellungsraum besteht dagegen aus einer einzigen begehbaren Installation mit 32 TV-Monitoren. Die Bildschirme sind im Kreis aufgestellt und erinnern an einen archaischen Versammlungsplatz. Solchermaßen symbolisch aufgeladen soll „Video Circle“ an die chinesische Lehre von der mathematischen Beschaffenheit des Kosmos anknüpfen und zugleich ins Zeitalter elektronischer Medien überleiten. Alles ist Kommunikation: Als Direktor des „Hong Kong Institute of Contemporary Culture“ hat Danny Yung 108 Künstler aus zwölf asiatischen und pazifischen Städten eingeladen, dreiminütige Filme zu produzieren – wie sieht der Alltag in Macau, Bangkok, Singapur oder Hongkong aus?

Doch in Asien ist Alltag offenbar schwer zu definieren und mit ihm die Vorstellungen von Öffentlichkeit und Privatheit. Aus Shanghai wurden Videoschnipsel eingereicht, in denen es ständig auf menschenleere Häuser, Straßen, Acker regnet und die Künstler derweil heftig onanierend zu Hause sitzen. Mal gibt es die Peitsche, mal singen Vögel. Aus Bangkok kommen Bilder von überdrehten Karaoke-Tänzerinnen, die in einer virtuellen Diskothek aufgenommen wurden; später sieht man Barbie und Ken diverse Sexfantasien austoben – Miniaturhandschellen inklusive.

Die Filme sind als schnelle Samples zusammengeschnitten, der Inhalt bleibt im Spiel mit den Images weitgehend ausgeklammert. Dafür hat Danny Yung ein genaues Auge für die Inszenierung: Mit drei Sekunden Zeitverschiebung schwirren die Videos über die Monitore und geben die Bilder exakt wie beim Staffellauf weiter. Das ist für ein Projekt, das sich als Spiegel der Informationskultur versteht, doch etwas ziellos. Aber das Setting macht einiges her. Annie Wong hätte es nicht besser hinbekommen.

Bis 10.9., Di.–So. 11–20 Uhr; Infos unter: www.hkw.de

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