: Religionshäppchen für alle
SPD-Fraktion und Schulsenator Böger wollen verpflichtende Wertevermittlung in den Schulen einführen. Religion soll in diesem Fach in kleinen Portionen unterrichtet werden. Kirchen dagegen
von JULIA NAUMANN
An Berliner Schulen soll in Zukunft Religion in einem Pflichtfach gelehrt werden. Dafür wird sie wird aber nicht mehr als eigenständiges Unterrichtsfach angeboten, sondern eingebettet in das Fach Ethik. Sowohl Schulsenator Klaus Böger (SPD) als auch seine Fraktion im Abgeordnetenhaus favorisieren nun dieses Modell. Beide Seiten haben sich damit in ihrem monatelangen Streit über die Organisation des Religionsunterrichts entscheidend angenähert.
Böger wollte bisher den noch freiwilligen Religionsunterricht abschaffen. Dafür hätten die Schüler zwischen der Fächergruppe Ethik/Philosophie oder Religion wählen müssen. Das hatte die Mehrheit der Fraktion abgelehnt. Jetzt findet das so genannte „Fenster-Modell“ bei beiden Zustimmung. Das bestätigte sowohl Bögers Sprecherin Rita Hermanns als auch die schulpolitische Sprecherin der Fraktion Eveline Neumann.
Das Modell sieht vor, dass alle SchülerInnen einer Klasse gemeinsam eine Wertevermittlung im Fach Ethik/Philosophie bekommen. Innerhalb dieses Unterrichts sollen Vertreter der Kirchen, der Jüdischen Gemeinde oder des Islams die Möglichkeit haben, bekennend ihre Religion zu vermitteln. Offen ist noch, ob die Kinder auch hierbei nach Konfessionen getrennt oder gemeinsam unterrichtet werden. Auch eine Benotung des Faches ist noch nicht geregelt.
Eveline Neumann geht jedoch davon aus, dass ihre Fraktion diesem Modell zustimmen wird. Es habe einen Wandel in der Fraktion zu mehr verbindlichem Werteunterricht gegeben, bestätigte auch Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. Lediglich der Parteivize Andreas Matthae bleibt skeptisch: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Fraktion den Vorschlag mitträgt.“
Die Kirchen sperren sich gegen das von der SPD-Modell. Nach Ansicht des evangelischen Kirchschulrates Rolf Lüpke ist es verfassungsrechtlich außerordentlich probematisch, wenn Kinder mit verschiedenen Religionszugehörigkeiten gemeinsam unterrichtet würden. Das widerspreche der Religionsfreiheit. Er hält „Häppchen“-Religionsunterricht für wenig sinnvoll. Lüpke befürchtet auch, dass zukünftig die staatlichen Lehrer bestimmen, welche Konfession wie und wann auftritt. Bisher könnten die Kirchen darüber selbst bestimmen.
Von der CDU war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Sie hatte in der Vergangenheit wie die Kirchen für ein verbindliches Wahlpflichtfach plädiert.
Die SPD will sich nach einem Bildungskongress im Frühjahr endgültig positionieren. Kann sie die CDU von ihrem Vorschlag überzeugen, so muss das Schulgesetz geändert werden. Das dauert mindestens ein Jahr. Nach Angaben von Bögers Sprecherin Rita Hermanns soll der verbindliche Unterricht dann „suksessive“ und zunächst in den Klassen 7 bis 10 eingeführt werden. Derzeit kostet der freiwilligie Religionsunterricht 110 Millionen Mark im Jahr. Wie viel das neue Fach kosten wird, konnte Hermanns nicht beziffern.
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