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Sturm behindert Bergung

Russisches Atom-U-Boot liegt weiterhin mit 116 Mann Besatzung am Meeresgrund. Der Vorrat an Sauerstoff soll noch bis morgen reichen. Norwegische Behörden fürchten Strahlenbelastung

BERLIN/OSLO/MOSKAU taz/dpa/afp Die Rettung der Matrosen des gesunkenen russischen Atom-U-Boots „Kursk“ musste gestern immer wieder verschoben werden. Ein Sturm im Nordmeer verhinderte alle Versuche der russischen Marine, mit einem kleinen U-Boot die Soldaten vom Meeresgrund zu bergen. Unklar war auch, wie viele der 116 Matrosen noch am Leben waren.

Nach Angaben des obersten Marinechefs Wladimir Kurojedow sollte die Bergung der in 100 Meter Tiefe eingeschlossenen Seeleute „in vollem Umfang“ gegen Mitternacht beginnen. Voraussetzung sei, dass sich der Sturm auf der Barentssee lege. Die Bergung der Besatzung könne sechs bis sieben Stunden dauern, so die Flotte. Das Boot liegt jedoch auf der Seite, was die Sache erschwert.

Nach letzten Angaben der russischen Marineführung ist die Ursache für die Havarie wahrscheinlich eine Explosion an einem Torpedorohr in der Nacht zum Sonntag. Bei einem Seemanöver war das Atom-U-Boot vor der Küste von Murmansk auf den Grund gesunken, in einer Tiefe von gut 100 Metern. Wie viele Seeleute bei der Explosion verletzt wurden oder ums Leben kamen, ist weiter unbekannt. Wegen starker Unterwasserströme konnten die anwesenden 15 Marineschiffe und Mini-U-Boote nur über Klopfzeichen durch den dicken Rumpf mit der Besatzung kommunizieren, alle Funkanlagen und die Stromversorgung sind ausgefallen.

Nach unterschiedlichen russischen Angaben können pro Tauchgang der Rettungskapsel sechs Menschen gerettet werden, andere Quellen sprachen von 10 bis 15 Menschen. Die Zeit drängt: Die See hat eine Temperatur von nur neun Grad und der Sauerstoff reicht nach Angaben des Konstruktionsbüros „Rubin“, das die „Kursk“ gebaut hatte, noch bis zum morgigen Donnerstag, um im U-Boot zu überleben. Niemand wisse jedoch, ob die Reserve-Sauerstoffsysteme im Boot überhaupt noch funktionierten. Eigentlich sollte ein Versorgungsschlauch für Sauerstoff und Strom angebracht werden. Das scheint nicht geglückt zu sein.

Das U-Boot hat am Heck eine Luke für einen Notausstieg. Doch selbst für trainierte Taucher dürfte der hohe Druck in dieser Meerestiefe tödlich sein. Die Besatzung der „Kursk“ hat nach Informationen der norwegischen Umweltorganisation Bellona kein gemeinsames Training für Notsituationen absolviert.

Messungen norwegischer Stellen in dem Gebiet 180 Kilometer nordöstlich von Murmansk ergaben keine erhöhte Radioaktivität in der Luft. Norwegische Behörden stuften eine komplette Bergung des verunglückten russischen Atom-U-Bootes „Kursk“ als für die Umwelt am gefährlichsten ein. Der Chef des staatlichen Strahlenschutzamtes, Ole Harbitz, meinte, durch eine dann sehr wahrscheinliche Beschädigung des schweren Rumpfes werde das Austreten von radioaktiver Strahlung bei Erreichen der Wasseroberfläche sehr wahrscheinlich. Norwegen ist am unmittelbarsten von der Misere der russischen Atomflotte betroffen. rem

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