: Sender zu verkaufen
Italiens Regierung will zwei staatliche TV-Kanäle privatisieren, um sie dem Einfluss von Silvio Berlusconi zu entziehen. Doch das kann ins Auge gehen
aus Rom MICHAEL BRAUN
„Bloß eine Partie Tennis“ habe er am 17. August mit Ministerpräsident Amato gespielt, wunderte sich RAI-Chef Roberto Zaccaria, das sei doch nichts Verwerfliches. Ein bisschen die Meinung ausgetauscht hätten sie schon, gestand Zaccaria dann noch der römischen Tageszeitung La Repubblica, mehr aber auch nicht: Detaillierte Pläne für die Zukunft der RAI könne man ja wohl nicht „auf dem Bänkchen der Umkleidekabine oder unter der Dusche“ ausarbeiten“.
Vielleicht doch: Zwei Wochen später, am vergangenen Mittwoch, unterbreitete Giuliano Amato seinen Koalitionspartnern sein Vorhaben, die Privatisierung der staatlichen Rundfunkanstalt anzuschieben.
Bisher strahlt die Anstalt je drei nationale TV- und Radioprogramme aus. Geht es nach Amato, dann sollen die beiden Fernsehkanäle RAI 1 und RAI 2 schon bald unter einem Dach vereinnigt und an die Börse gebracht werden. Das neue Privat-TV hätte sich dann ausschließlich über Werbeeinnahmen zu finanzieren und müsste gegen die drei nationalen Privatsender des Medienunternehmers und Oppositionsführers Silvio Berlusconi bestehen. Die Rundfunkgebühren dagegen – bisher umgerechnet 2,5 Milliarden Mark pro Jahr – kämen dem unter staatlicher Kontrolle verbleibenden dritten TV-Programm RAI 3 sowie dem Auslandskanal RAI International zugute. Das dann werbefreie Staatsfernsehen würde damit in Italiens TV-Landschaft zur Randgröße mit Bildungs- und Informationsauftrag: Während die ersten beiden Wellen der RAI fast 40 Prozent der Zuschauer auf sich vereinigen, schaltete nur knapp jeder zehnte RAI 3 ein.
Eigentlich ein Plan ganz nach Berlusconis Geschmack: Seit er 1994 in die Politik eintrat, predigt er das neoliberale Credo, schimpft auf so ziemlich alles mit dem Etikett „staatlich“ oder „öffentlich“ und ruft an allen Ecken nach Privatisierung.
Erstaunlicherweise ist von Begeisterung im Lager von Berlusconis Forza Italia und ihren Verbündeten aber nichts zu spüren. Einen Putschversuch erblickte Antonio Landolfi, Abgeordneter der Alleanza Nazionale und Vorsitzender des RAI-Kontrollausschusses im Parlament, in der geplanten Privatisierung. Und Forza-Italia-Organisationssekretär Claudio Scajola glaubt auch die Motive für den „Handstreich“ zu kennen: „Das Mitte-links-Bündnis weiß, dass es die nächsten Wahlen verlieren wird; die versuchen, das Rettbare zu retten und die eigenen Spielräume zu sichern. Hier geht es doch nur um die Privatinteressen der Regierungsmehrheit.“
In der Tat muss die Koalition fürchten, sich nach den Wahlen vom April 2001 auf der Oppositionsbank wiederzufinden. Ein Premier Berlusconi könnte dann nicht nur über seine drei Mediaset-Kanäle verfügen, sondern auch über die RAI-Wellen: In Italien steht den in der Regel von der Regierungsmehrheit gestellten Präsidenten der beiden Häuser des Parlaments die Nominierung des RAI-Vorstands zu. Nur zu lebhaft erinnern sich die Mitte-links-Politiker an Berlusconis ersten Wahlsieg 1994. Damals erklärte Cesare Previti, Verteidigungsminister im damaligen Rechtskabinett, in der RAI würden „keine Gefangenen gemacht“, und den Worten folgten Taten: Zu neuen Nachrichtenchefs der TV-Sender RAI 1 und RAI 2 wurden zwei Journalisten gekürt, die bis zum Vortag noch für Berlusconis Medienimperium gearbeitet hatten.
Da liegt die Rechte mit ihrem Verdacht wahrscheinlich gar nicht so falsch, die Regierungskoalition wolle per Privatisierung die beiden wichtigsten RAI-Programme dem Zugriff der Berlusconi-Truppen entziehen und sie wenn nicht befreundeten, so doch wenigstens Berlusconi-fernen Unternehmern zuschustern. Ein Kandidat hat sich auch gleich nach vorn gewagt: Cesare Romiti, ehemals Chef des Autokonzerns Fiat. Er leitet heute das Medienkonglomerat RCS, zu dessen Flaggschiffen die angesehene Tageszeitung Corriere della Sera und der Buchverlag Rizzoli gehören. Zwar ist Cesare stockkonservativ – aber er gilt nicht als Berlusconi-Mann. Als weitere mögliche Interessenten werden die linksliberale Zeitungsgruppe La Repubblica-Espresso und der Textilkönig Luciano Benetton gehandelt.
Ob der Regierungsmehrheit die flotte Frontbegradigung in der Medienlandschaft gelingt, steht allerdings dahin. Mehr als vier Jahre ließ die Koalition verstreichen, ohne Berlusconis merkwürdiger Doppeltätigkeit als Medienunternehmer und Politiker gesetzgeberisch zu Leibe zu rücken. Auch den Wahlkampfschwüren von einer endlich parteienunabhängigen RAI waren keine Taten gefolgt; stattdessen machte auch das Mitte-links-Bündnis nach alter Übung den Staatssender zum Regierungsfunk mit kleinen Anstandsnischen für die Opposition. Jetzt bleiben gerade mal acht Monate, um den absehbaren Schaden auszubügeln und „das Staatsfernsehen endlich von der Tyrannei der Parteien zu befreien“ – so das späte Gelöbnis des Koalitionspolitikers Arturo Parisi.
Die Zeit drängt, nicht nur weil die Regierungsmehrheit im Abgeordnetenhaus hauchdünn ist und die Koalitionspartner von den Grünen bis zu den italienischen Kommunisten bisher dem Amato-Plan die Zustimmung verweigern. Die Zeit ist vor allem deshalb knapp, weil die Regierung nicht nur das Privatisierungsgesetz durch das Parlament pauken, sondern auf jeden Fall auch dessen Umsetzung kontrollieren müsste.
Sonst geht der Plan nach hinten los. Was dann droht, fasst der Grünen-Abgeordnete Stefano Semenzato so zusammen: „Wir stehen vor der Gefahr, dass die von Mitte-links eingeleitete Privatisierung dann in den Händen der Rechten landet. Am Ende haben wir dann ein Berlusconi-Monopol statt des bisherigen Duopols RAI/Mediaset.“
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