kreuzhain: Bündnis ohne Modellcharakter
Darauf haben so viele schon seit Jahren gewartet. Endlich ein Bündnis von SPD, PDS und Grünen. Endlich eine Koalition „links von der Mitte“ wie sie einst Willy Brandt unter anderen politischen Vorzeichen gefordert hatte. Endlich vor allem eine Perspektive, die den Weg aus der Großen Koalition weist.
Kommentar von UWE RADA
Kreuzberg war schon immer ganz besonderen Erwartungen ausgesetzt. Der Mythos Widerstandsnest in den Achtzigern, Hoffnungsort multikultureller Sehnsüchte in den Neunzigern. Und es blieb dem Bezirk immerhin der Nimbus wohl dosierter Renitenz erhalten. Selbst die Parteien sind hier anders, wie die SPD mit ihrem Votum, im künftigen Fusionsbezirk Kreuzberg-Friedrichshain einen PDS-Bürgermeister zu unterstützen, unter Beweis stellt.
Die Reaktionen waren zu erwarten. CDU-Einpeitscher Klaus Landowsky darf mal wieder antikommunistische Empörung empfinden, SPD-Landeschef Peter Strieder generös bezirkliche Autonomie zu Schau tragen. Und beide werden sie die Daumen drücken, wenn es denn tatsächlich einen PDS-Bürgermeister von SPD- und grünen Gnaden geben sollte. Kreuzberg und Friedrichshain als Modellversuch für die Parlamentswahl 2004, positiv wie negativ.
Doch da sind, wie gesagt, noch die Besonderheiten. In Kreuzberg sammeln die Grünen für die Besetzer des eigenen Büros, und selbst CDU-Chef Kurt Wansner bewegt sich traumtänzerisch sicher durch den alljährlichen Steinehagel am 1. Mai. Nur die PDS ist gespalten, in Ost und West. In Kreuzberg streng antikapitalistisch und in Friedrichshain streng investorenfreundlich. Kreuzhain wird im kommenden Jahr unter strenger Beobachtung stehen. Doch angesichts der Besonderheiten taugt das Kreuzhainer Linksbündnis nur schlecht als Modellprojekt – weder für die Träume noch für das Horrorszenario.
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