: Die Könige unter den Praktikanten
Das sechste Berliner Semester im „Creative Village“ endet am ersten Oktober. Je zwei Monate durchliefen die Teilnehmer Stationen in Werbeagenturen, Multimediaunternehmen – und auch in der taz-Redaktion
Langsam kommt das Ende der Regelstudienzeit in Sichtweite – das sechste Berliner Semester geht am 1. Oktober zu Ende und entlässt seine Absolventen. Seit dem ersten April schuften „die neun kreativsten, sozialsten und konzeptionell-analytischsten Individuen“ im Creative Village, dem Dorf für die Könige unter den Praktikanten. Denn wer heute einen Praktikumsplatz in den Disziplinen Werbung, Journalismus oder Neue Medien ergattern will, muss bereits bei der Bewerbung erste Qualifikationen und Arbeitsproben vorweisen können sowie bereit sein, auch für wenig Geld hart und selbstständig zu arbeiten.
Jeweils zwei Monate durchlaufen die Teilnehmer des Berliner Semesters je nach Interessenschwerpunkt Stationen wie das Berliner Büro der Werbeagentur Scholz & Friends, das Multimediaunternehmen Pixelpark und die Redaktion der taz. Zusätzlich stehen den Praktikanten Seminare der Berliner Henri-Nannen-Schule offen. Einmal wöchentlich treffen sich die neunTeilnehmer zum Austausch und zur Koordination des gemeinsamen Abschlussprojekts. Auf vier taz-Sonderseiten und auf einer Internetseite werden sie sich und ihre Arbeit nach Beendigung des sechsten Creative Village vorstellen.
Anna Grün ist eine von ihnen. Die 22-Jährige hatte gerade ihr Studium der Kommunikations- und Kulturwissenschaften in Leipzig aufgenommen, als sie ihr Vater auf das Berliner Semester aufmerksam machte. „Ich wusste gar nicht, was mich erwartet“, sagt Grün, die gerade bei Pixelpark in der Textabteilung mitarbeitet. Sie absolvierte unmittelbar nach dem Abitur Hospitanzen bei einer Werbeagentur in Hamburg und bei der Agentur Publicis in Frankfurt/Main, ihrer Heimatstadt. Schon während ihrer Schulzeit hatte Anna Grün bei einer Firma für digitale Bildbearbeitung gejobbt. Was nach dem Berliner Semester kommt: „Weiterstudieren, aber in Berlin.“ Einen Studienplatz an der Humboldt-Universität für das kommende (Hochschul-)Semester hat sich Anna Grün schon organisiert – Leipzig war nur eine Numerus-clausus-bedingte Notlösung. Für die Zeit nach dem Studium hat die Werberin, die bei Scholz & Friends eine Stellenmarktkampagne für die Frankurter Allgemeine Zeitung betreut und gemeinsam mit den anderen Absolventen auf Messen wie der Typo2000 und einem Werbekongress für die Idee „Berliner Semester“ geworben hat, noch keine konkreten Pläne. Die Zeit sei sehr schnell vergangen, weil man von einem Praktikumsplatz zum nächsten gelotst werde. Für die Dauer des Berliner Semesters bekommt sie, wie die anderen Teilnehmer, 500 Mark im Monat. Studenten, die fürs Studium ein Pflichtpraktikum brauchen, können während des „Urlaubssemsters“ weiterhin Bafög beziehen. Anna Grün wird während ihres digitalen Lehr- und Wandersemesters von ihren Eltern finanziell unterstützt. Ausschließlich studieren oder arbeiten – das liege ihr nicht, sagt sie; Anna braucht Abwechslung. „Ich mache mir selber keinen Druck“, meint die Frankfurterin. „In den nächsten Semesterferien fahre ich erst mal dick in Urlaub, nach Thailand vielleicht.“ Wichtig sei es, regelmäßig Zeit zu finden, einfach „irgendeinen Quatsch“ zu machen; zum Beispiel „das Zimmer gelb anmalen.“
Für das kommende Berliner Semester im Winter 2000/2001, ist die Bewerbungsfrist bereits abgelaufen. Interessenten sollten sich aber den ersten April 2001 vormerken – dann soll das achte Creative Village beginnen. Die Bewerbungsfrist wird per Annonce und im Internet bekannt gegeben. Dort kann man neben den Abschlussprojekten der vergangenen Jahre auch die Bewerbungsvoraussetzungen und Kurzporträts aller Projektteilnehmer einsehen. Die Site wird bald rundumerneuert – von Anna Grün und ihren Creative-Village-Kollegen: „Wir konzipieren eine Art Spiel, mit dem man das Dorf erkunden kann.“ CHRISTA STORM
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