: „Ich brauche keine Ferraris mehr“
Schon so etwas wie ein Phänomen: Auf seinen Platten stilisiert sich LL Cool J gerne zum Weltklasseliebhaber, Großschwätzer und Ausnahmerapper, und das schon seit 17 Jahren. Ein Gespräch über Kunst, Kommerz und Gefühlsduselei im HipHop und sein zweites Karrierestandbein als Schauspieler
Interview: MARCEL ANDERS
taz: Als Sie in den 80ern zum ersten Mal nach Deutschland kamen, waren Sie noch Botschafter einer fremden Subkultur. Inzwischen haben sich Mode, Musik und Sprache des HipHop weltweit durchgesetzt . . .
LL Cool J: Ja, heute ist die Jugend überall auf derselben Wellenlänge. Und das ist nicht zuletzt das Verdienst von Videos und Internet – die Welt ist einfach kleiner geworden. Oder anders gesagt: Es gibt keine Geheimnisse mehr. Was immer Monet dazu inspiriert hat, seine Blumenbeete und Gärten zu malen – würde er im 21. Jahrhundert leben, wüsste es jeder, denn es ließe sich einfach im Internet nachlesen. Die Technik bringt die Leute zusammen.
„I Need Love“ war Ihr erster großer Hit. In der Rap-Community wurde Ihnen das Stück doch ziemlich übel genommen und als Gefühlsduselei ausgelegt. Würden Sie sagen, Sie haben damit eine neue Sensibilität in den HipHop eingebracht?
Ich war nie der Typ, der in die Menge blickt und sagt: „Ich muss genau das tun, was sie tun, weil ich ein Teil von ihnen sein will.“ Ich war mir nie zu schade, allen ins Gesicht zu sagen: „Ich mache, was ich will.“
Ich habe nun mal kein Problem damit, Frauen als etwas Wunderbares darzustellen, ihnen meine Zuneigung und meine Gefühle zu zeigen. Und wie bitte kannst du deine Wut und deinen Frust darstellen, wenn du die Liebe und die Trauer nicht so genau nimmst? Das ist auch einer der Gründe, warum ich Tupac bewundere. Er hat zwar viele Gangsta-Platten gemacht, aber gleichzeitig auch kein Problem gehabt, über seine Mutter zu reden. Wissen Sie, was einen großen Mann ausmacht? Sich von einer Frau in den Arm nehmen zu lassen. Man kann nicht immer nur wütend sein.
Ihre Anfangsjahre sollen allerdings ein einziger Exzess gewesen sein . . .
Stimmt. Aber ich bereue nichts: Ich sehe es als Erziehung an, die mich erst dahin gebracht hat, wo ich heute bin. Heute weiß ich, wie ich mich zu verhalten habe, welche Freiheiten ich mir rausnehmen kann. Ich brauche keine Ferraris mehr. Nicht, dass mir das leicht fällt – ich liebe Autos, Frauen und alles, was einen ganz normalen Mann ausmacht. Aber ich komme auch ohne klar.
Und was macht Sie nun zum „G.O.A.T.“ – „The Greatest of All Time“, wie sich Ihr neues Album ganz bescheiden nennt?
Wenn ich mich selbst so bezeichne, dann ist das pure Ironie: Ich finde es einfach nur lustig. Sosehr ich auch für das, was ich tue, respektiert werden möchte: Ich habe Humor. Es geht schließlich darum, ein Künstler zu sein, kein widerlicher Angeber.
In der letzten Zeit haben Sie sich verstärkt als Vorbild und Vaterfigur präsentiert. Auf dem neuen Album nun ist davon nichts mehr zu spüren . . .
Weil ich mich entschieden habe, auf diesem Album ein reiner Künstler zu sein. Nicht, dass ich davon jetzt völlig zurücktrete, aber es kann nicht meine einzige Aufgabe sein, Kindern etwas Positives zu vermitteln.
Deswegen also die gelegentlich sehr expliziten Texte?
Das ist ganz einfach Teil meines künstlerischen Ausdrucks. Wenn ich ein Bildhauer oder Maler wäre, würde ich Frauen darstellen. Dabei ist es völlig egal, ob es nun die Mona Lisa ist oder eine völlig nackte Frau, die sich aufreizend nach vorne beugt. Das ist beides gut. Und mir macht beides Spaß.
Es ist aber nicht so, als hätte ich nur Sex im Sinn. Schließlich wage ich mich auch an etwas, was ich auf meinen früheren Alben sträflich vernachlässigt habe – eben, wie es sich anfühlt, ein afroamerikanischer Mann zu sein, der in New York aufwächst. Das ist nichts, über das man verbittert sein sollte – es ist cool.
Was hält Ihre Frau von Ihren Texten – Sie sind ja seit Jahren verheiratet und haben zwei Kinder?
Nur weil wir Kinder haben, verzichte ich doch nicht auf den Sex mit meiner Frau – das wäre ja absurd. Schließlich ist der immer noch großartig, voller Aktion, mit netten Spielen und so.
Das ist doch ein Kurzschluss: Er singt über Sex und wilde Partys – also muss er die auch haben. Blödsinn. Das ist Phantasie, Mann. Es sind meine Träume, und die lasse ich mir von niemandem nehmen. Ich sehe da auch keinen Widerspruch zu meiner Vorbildfunktion. Im Gegenteil: Es macht mich menschlich. Aber als Musiker stehst du auf einem echten Präsentierteller – jedes Wort von dir wird auf die Goldwaage gelegt. Was ist, wenn ich nach London fliege und Lust habe, in einen Stripclub zu gehen? Jeder verfluchte Geschäftsmann geht in so einen Laden – das macht mich längst nicht zum bösen Jungen.
Ich würde nie behaupten, dass ich perfekt bin oder alles richtig mache – aber ich versuche es zumindest. Ich habe auch kein Problem damit, einer alten Frau über die Straße zu helfen – bei anderen Rappern würde das ihr Image ruinieren. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre Fotograf geworden – ich würde einfach nur Bilder knipsen und müsste sie nicht mal erklären. Das wäre dann Kunst – und die spricht für sich.
Ihren Song „Hello“ benutzt die Sportswearfirma FUBU gerade für ihre Werbung. Steht das im Widerspruch zu Ihrem künstlerischen Anspruch?
Nein, warum denn? Ich habe ihnen einfach nur den Beat gegeben – eben weil sie mich gefragt haben, ob ich etwas Heißes hätte, das sie in einem Trailer benutzen können.
Wie kommt es, dass Sie so offen für Kommerz sind?
Ich habe eine ganz einfache Philosophie: Ich tue, was ich will. Es gibt aber auch einiges, was ich nie machen würde – Werbung für Alkohol oder Zigaretten etwa. Ich würde auch nie Champagner in einem Video trinken. Als LL Cool J habe ich aber kein Problem damit, einen Softdrink zu promoten. Ganz einfach, weil ich das Zeug ja ständig trinke. Genauso verhält es sich mit Klamotten: Ich trage einfach nichts, was ich nicht mag. Und auf FUBU stehe ich nun mal.
Darin äußert sich auch der Gegensatz zwischen Rock-’n’-Roll-Bands und der HipHop-Generation. Für Rock ’n’ Roller ist es superwichtig, nichts zu promoten, was irgendwie kommerziell erscheint, selbst wenn sie fünfmal nacheinander das Wembley-Stadion ausverkaufen und sowieso genug Geld für alles haben. Bei HipHop ist das etwas anderes: Da haben die Künstler keine Skrupel. Ganz egal, ob es nun um Kleidung, Musik, Filme, Bücher oder Fernsehsender geht – sie tun, was sie wollen. Das hat mit Freiheit zu tun.
Was ist eigentlich aus Ihrer eigenen, mehrfach angekündigten Schuhlinie „Najee“ geworden?
Gar nichts. Es hat einfach nicht funktioniert, und deshalb habe ich habe in letzter Minute einen Rückzieher gemacht. Wer weiß, vielleicht greife ich irgendwann auf die Idee zurück. Schuhe sind schon eine geile Sache.
In letzter Zeit versuchen Sie sich zunehemend als Schauspieler – warum?
Ich will nicht einfach nur ein Rapper sein – davon gibt es schließlich sehr viele, aber nur wenige Künstler. Die Schauspielerei ist nur eine andere Ausdrucksmöglichkeit. Ich liebe es, unterschiedliche Rollen zu spielen, und je länger ich dabei bleibe, desto öfter werden mich die Leute in völlig unterschiedlichen Parts erleben.
Ich habe auch einen sehr guten Lehrer, nämlich Aaron Spicer, ich besuche seinen Workshop, sooft ich kann. Ich zähle nicht zu diesen Promis, die nur mal in einem Film mitmachen, weil das cool ist. Das wird sich spätestens in zehn Jahren zeigen. Bis dahin sollen sich die Leute einfach die Filme ansehen und sich ein Urteil bilden.
Dient die Schauspielerei also der Persönlichkeitsbildung?
Ganz genau. Der größte Unterschied zwischen Musik und Schauspiel besteht darin, dass man als Musiker ständig unterwegs ist – und immer das Gleiche erlebt. Als Schauspieler, der einigermaßen beschäftigt ist, lebst du hingegen mehrere Leben auf einmal und triffst ständig interessante Leute.
Vor kurzem habe ich einen Film mit Oliver Stone gedreht und dabei musste ich American Football spielen. Auch das musste ich erst lernen – und genau das ist der Punkt: Du bleibst niemals stehen, sondern entwickelst dich ständig weiter. Wenn du dich hingegen auf die Musik konzentrierst, verfällst du irgendwann in reine Routine. Selbst wenn du mal in ein anderes Land reist, hockst du ja den ganzen Tag in irgendeinem Hotel, gibst ein Konzert oder Interviews. Da kannst du schon froh sein, wenn du mal ein gutes Restaurant von innen siehst – oder eine kurze Stadtrundfahrt machst.
Ist das Leben vor der Kamera also einfach spannender?
Und ob! Mein Freund Will Smith nimmt gerade Boxunterricht, weil er sich auf seine Rolle als Mohammed Ali vorbereitet. Er hat mich ständig bei den Dreharbeiten zu „Kingdom Come“ besucht und wollte mich zum Bungee-Jumping überreden, was ich aber dankend abgelehnt habe (lacht) ..
Er macht einfach alles – und genau das ist es, was das Leben ausmacht. Um in der Musik auf ein ähnliches Level zu kommen, musst du schon Leute wie Quincy Jones kennen – übrigens ein guter Freund von mir. Er hat mich mal auf ein Sinatra-Konzert mitgenommen und mich Michael Jackson, Barbra Streisand oder Oprah Winfrey vorgestellt. Es gibt also schon eine Ebene, die sich vom normalen Musiker abhebt. Aber um da reinzukommen, brauchst du ewig. Beim Film geht das schneller.
Welche Filme haben Sie zuletzt gesehen . . .
Der beste, den ich in letzter Zeit gesehen habe, war „Shaft“. Der ist viel besser, als ich es je erwartet hätte. Zuerst wollte ich ihn gar nicht sehen, weil ich den Trailer grausam fand.
Vom kreativen Standpunkt aus war „Being John Malkovich“ einer der interessantesten Streifen seit Jahren. Vor allem Cameron Diaz war brillant.
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