: Kripo setzt auf das Prinzip Hoffnung
Auch acht Wochen nach dem Anschlag auf eine Düsseldorfer S-Bahn-Station gibt es keine heiße Spur von den Tätern. Nur zehn Prozent der Hinweise weisen ins rechte Milieu. Polizei und Staatsanwaltschaft schließen andere Tatmotive weiterhin nicht aus
aus Düsseldorf PASCAL BEUCKER und MARCUS MEIER
Natürlich sei es kritisch, per Phantombilder nach Zeugen zu suchen, gibt Hauptkommissar Dietmar Wixfort zu. Gewöhnlich versucht die Polizei auf diese Art und Weise nur Tatverdächtige aufzuspüren Doch es handele sich hier nun mal um „eine außergewöhnliche Situation, die diese Maßnahme rechtfertigt“. Die außergewöhnliche Situation: Fast zwei Monate nach dem Handgranatenanschlag auf die Düsseldorfer S-Bahnstation Wehrhahn haben Polizei und Staatsanwaltschaft bisher keine heiße Spur von den möglichen Tätern. Bei der Explosion waren zehn Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion – die Mehrzahl von ihnen jüdischen Glaubens – schwer verletzt worden.
Die Ermittlungsbehörden versuchen nun zwei Männer ausfindig zu machen, die drei der inzwischen zwölf Zeugen beschrieben haben, und die sich bei der Detonation am 27. Juli in unmittelbarer Nähe zum Tatort befanden. Staatsanwalt Johannes Mocken betont, dass nichts auf eine Täterschaft der Gesuchten hindeute. Es gäbe viele plausible Gründe, weshalb sie sich nicht gemeldet hätten. Etwa die Scheu vor Polizei oder Öffentlichkeit.
Ob die beiden Unbekannten zur Aufklärung beitragen könnten? Man müsse „für jede Kleinigkeit dankbar sein in diesem spurenarmen Fall“, so Mocken. „Wir leiden an einer Armut an Motiven und Hinweisen.“ Und die Hinweise, die kämen, würden immer vager. „Das sind dann so Aussagen wie: ‚Mein Nachbar gibt schon mal einen ausländerfeindlichen Spruch von sich.‘ “
Die Sonderkommission Ackerstraße wurde inzwischen auf 30 Ermittler reduziert. In Hoch-Zeiten waren dort bis zu 80 Polizisten aktiv. Trotzdem betont Chefermittler Wixfort, dass weiter mit „Hochdruck“ ermittelt werde. „Wir gehen fast täglich neuen Spuren nach.“ Zurzeit exakt 78. „Zehn Prozent davon tangieren die rechtsradikale Szene“, so Wixfort. Aber er will auch organisierte Kriminalität oder persönliche Hintergründe als Tatmotive nicht ausschließen.
Drei Wochen lang wurde der Tatort untersucht, zuletzt mit einem speziellen Metalldetektor. 341 Beweisstücke konnten dabei sichergestellt werden. Doch die erhofften Hinweise auf den Zünder der Handgranate blieben aus. Das verwendete TNT stamme eventuell aus Bundeswehrbeständen, woraus sich möglicherweise eine Spur ergäbe, verkündete die Polizei Anfang August. Heute betont ein Behördensprecher, dazu könne „man noch nichts sagen“. Die Auswertung eines Videobandes, das ein Nachbar nach der Tat aufgenommen hatte, brachte ebenso wenig brauchbare Erkenntnisse wie die Zeugenbefragungen in einer mobilen Polizeistation am Tatort. Mit der improvisierten Wache wollten die Ermittler Berufspendler und zurückkehrende Urlauber ansprechen. Doch mittlerweile wurde sie wieder aufgelöst. „Zum Schluss kam immer wieder die gleiche Klientel“, heißt es bei der Polizei.
120.000 Mark Belohnung setzten Polizei und Staatsanwaltschaft für sachdienliche Hinweise aus. Hunderte von Personen sind bis heute vernommen oder angehört worden. Der Militaria-Händler Ralf S., der eine Woche nach der Tat in Gewahrsam genommen worden war, musste kurz darauf wieder freigelassen werden. Auch der Verdacht gegen einen weiteren kurzzeitig Festgenommenen konnte nicht erhärtet werden.
Aus der Bevölkerung seien bislang 283 Hinweise eingegangen, sagt ein Polizeisprecher. „Die werden nun sukzessive abgearbeitet.“ Ein erstes vorsichtiges Gespräch mit der schwer verletzten Tatjana L., die bei dem Anschlag ihr ungeborenes Kind verlor und noch längere Zeit stationär behandelt werden muss, brachte die Ermittler nicht weiter. „Eine gründliche Vernehmung ist auf einer Intensivstation nur sehr schwer möglich“, erläutert Mocken.
Auch wenn Staatsanwaltschaft und Polizei in Düsseldorf immer noch mit völlig leeren Händen dastehen, fällt die Kritik an ihrer Arbeit höchstens dezent aus. So moniert der Antifaschistische Koordinationskreises Düsseldorf (Antifa KOK) nur, dass die Ermittler ihre Arbeit transparenter gestalten sollten. Auch PDS-Ratsherr Frank Laubenburg, ansonsten in Sachen Antifaschismus um offene Worte nicht verlegen, übt nur vorsichtig Detailkritik. Die mobile Wache am Tatort „hätte nicht erst nach zehn Tagen aufgebaut werden dürfen“, meint er. „Wir haben nicht den Eindruck, dass die Polizei irgendetwas vertuscht oder dass sie nicht ordentlich arbeitet“, sagt Michael Szentei-Heise, der Verwaltungsdirektor der 6.500 Mitglieder zählenden Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. „Es ist nicht auszuschließen, dass der Düsseldorfer Anschlag nicht aufgeklärt wird“, gesteht denn Johannes Mocken ein. Doch seien acht Wochen noch nicht besonders lang für Ermittlungen in einem Kapitalverbrechen. Man werde jedenfalls „mit Beharrlichkeit weiter ermitteln“. Mocken hofft: „Manches mag der Zufall bringen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen