: Fischer-Menzel selber schuld
PUA Filz: Nach zweieinhalb Jahren beginnt heute das Ende. Vertraulicher Bericht formuliert Freispruch für Ortwin Runde ■ Von Sven-Michael Veit
Helgrit Fischer-Menzel ist schuldig. Und Elisabeth Lingner erst recht. Ein bisschen irgendwie auch Uwe Riez. Über diese drei SozialdemokratInnen, die im Mittelpunkt des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Filz stehen, werden in den nächsten Wochen Urteile gefällt werden, die der PUA „Bewertungen“ nennt. Der vierte und prominenteste, Bürgermeister Ortwin Runde, wird leer ausgehen: irgendwie ein bisschen verantwortlich ist er zwar, aber schuldig denn doch nicht. Freispruch mangels Bewertung.
Etwa 1800 Seiten umfasst der streng vertrauliche Berichtsentwurf, der den 13 Mitgliedern des Filz-PUA vorliegt. Heute Nachmittag beginnen die AbgeordnetInnen – sechs SPD, vier CDU, zwei GAL und einer vom Regenbogen – mit der Erstellung der Endfassung: In acht Sitzungen, so der Zeitplan, sollen die zwölf Kapitel des Entwurfs und etliche Hundert Änderungsanträge aller Fraktionen bis Ende Oktober durchgehechelt werden, etwa einen Monat später soll der Bericht abgeschlossen sein. Dem Filz in Hamburger Behörden, speziell dem undurchsichtigen Beziehungsgeflecht zwischen SPD und BAGS, wird er attestieren, dass er strukturell kaum je existiert habe, bedauerlicherweise aber habe es das eine oder andere Fehlverhalten einzelner handelnder Personen gegeben.
Zum Beispiel bei Helgrit Fischer-Menzel, die über ihre Ehegatten-Affäre stürzte und damit den PUA auslöste (siehe Kasten). Sie habe in ihren Vernehmungen vor dem Gremium, so der Berichts-Entwurf, „nicht immer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht“. Ihr aktives Eingreifen in ein Vergabeverfahren zugunsten einer Stiftung, deren Geschäftsführer ihr Gatte ist, sei ein schwerwiegender Fehler gewesen. Es hätten Interessenkollisionen durch „Überschneidungen zwischen dem privaten und dienstlichen Bereich der Senatorin“ vorgelegen. Genau das wird gewöhnlich Filz genannt.
Noch schlimmer fällt das Urteil über Elisabeth Lingner aus. Als BAGS-Amtsleiterin war sie an dem fraglichen Vergabeverfahren ebenso direkt und veranwortlich beteiligt wie an der HAB-Affäre um ihren Amtsleiter-Kollegen Uwe Riez. In beiden Fällen habe Ling-ner, in der Öffentlichkeit bekannter als Synodalpräsidentin der Nordelbischen Evangelischen Kirche, mehrfach und uneingeschränkt versagt, so die wenig schmeichelhafte Erkenntnis des PUA. Ihr „Führungs- und Entscheidungsverhalten“ zeichne sich durch das Fehlen jeglicher „konzeptionellen und zielführenden Problemlösungsstrategie“ aus. Mit anderen Worten: Geballte Inkompetenz im Amt.
Bei Uwe Riez zeigt sich der Untersuchungsausschuss milder: Er kommt mit einer Missbilligung davon. Riez hatte als Geschäftsführer der HAB jahrelang mit der BAGS im Streit gelegen, weil er höhere Zuwendungen an den Träger forderte, als die Behörde bewilligen wollte. 1995 wechselte er auf einen Amtsleiter-Posten in die BAGS und wirkte verantwortlich an einem Bescheid über 260 Millionen Mark mit, in dem rückwirkend alle Forderungen akzeptiert wurden, die HAB-Chef Riez aufgestellt hatte.
Laut PUA-Bericht sei das unschön, aber kein Skandal. Zwar hätte man von Riez „eine höhere Sensibilität für grundsätzliche Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit“ erwarten können. Aber sogar Hamburger Behörden können nicht alle Wünsche erfüllen.
Einen Persilschein erster Klasse stellt der PUA Bürgermeister Ortwin Runde aus. Fischer-Menzels Vorgänger als BAGS-Senator und als Aufsichtsratschef der HAB habe zwar die politische Verantwortung getragen; „hinreichende Anlässe, sich persönlich einzuschalten“ in die HAB-Riez-Affäre, seien aber nicht erkenntlich.
Ein Senator, weiß Runde eben, sollte nicht alles selber machen. Seine Nachfolgerin wusste das offenbar nicht.
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