schröders aufruf
: Regieren, nicht belehren

Gerhard Schröder, ein Meister des Kampfs gegen den Rechtsextremismus vermittels griffiger Slogans, hat nach dem Attentat gegen die Düsseldorfer Synagoge ein weiteres Mal zugelangt und den „Aufstand der Anständigen“ gegenüber rechter Gewalt eingefordert. Wohlwollen vorausgesetzt, könnte man diesen Aufruf unter dem Buchstaben H wie Hilflosigkeit in der Schröderschen Phrasenkartei ablegen und zu einer ernsthaften Erörterung des Themas übergehen. Aber Wohlwollen ist in diesem Fall unangebracht.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Dem Bundeskanzler scheint im Moment abhanden gekommen zu sein, worin die wesentliche Funktion seines Amtes besteht: im Regieren. Zum Regieren gehören selbstverständlich symbolische Aktionen. Also der Besuch der angegriffenen Düsseldorfer Synagoge (und nicht nur dieser!).

Wenn aber Schröder jenseits von Empörung, Anteilnahme und Zuspruch etwas sagen wollte, so hätte dieses Etwas in den konkreten Maßnahmen bestehen müssen, die staatlicherseits gegenüber dem rechtsextremen Terrorismus und seinen Ursachen ergriffen werden. Maßnahmen des Schutzes, Maßnahmen der Prophylaxe. Und nicht in dieser unendlich öden, deplatzierten Rede vom „Aufstand der Anständigen“.

„Aufstand“ ist selbstverständlich nur metaphorisch gemeint, bloß was meint die Metapher? Sie löst sich bei näherer Betrachtung in Nichts auf. Ein Blick auf den Staatsmann Schröder belehrt uns, dass er schlechterdings nicht mit Anetta Kahane, der ostdeutschen Bürgerrechtlerin und Aktivistin des Kampfs gegen den Rechtsextremismus, verwechselt werden kann. Sie darf über die Aufgaben der Zivilgesellschaft gegen rechts sprechen, darf mahnen, könnte berechtigterweise auch über die Untätigkeit der Gesellschaft klagen (sie tut es nicht). Aber Schröder soll gefälligst seines Amtes walten, soll seine Aufgaben nicht auf die Zivilgesellschaft der „Anständigen“ abwälzen.

Natürlich ist Schröder erstens Kanzler und zweitens Staatsbürger. Wenn er sich aber auffordernd an die Gemeinschaft der Bürger wendet, dann bitte unter Beachtung der eben genannten Reihenfolge. Diese Belehrungen über staatsbürgerliche Haltungen, über das, was seitens der Bürgergesellschaft zu tun und zu lassen ist, diese Volkspädagogik von oben herab, sie ist schlechterdings unvereinbar mit der Idee der „Mündigkeit“, die uns bei jeder passenden Gelegenheit von der Regierungsbank attestiert wird.

inland SEITE 7