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Ein Platz für Serbien

Die EU ist auf die Nach-Milošević-Ära vorbereitet. Wenn es aber ums Geld geht, gibt es Streit

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Die Reden lagen wohl schon vorbereitet in den Schubladen. Bereits am Donnerstagabend kündigte Hubert Védrine, derzeit Chef des Außenministerrats, das Ende der Sanktionen gegen Serbien an. Es folgten Glückwünsche vom Hohen Vertreter für Außenpolitik, Xavier Solana, den Fraktionen im Europaparlament und Außenkommissar Chris Patten.

Dass sich alle fünfzehn Mitgliedstaaten gleich nach Koštunicas Fernsehauftritt telefonisch verständigten, diese Entscheidung am Montag beim Außenministertreffen in Luxemburg abzusegnen, überraschte in Brüssel niemanden. Auch organisatorisch wird sich der Übergang in die Nach-Slobo-Ära problemlos vollziehen. An den runden Tischen von Stabilitätspaktkoordinator Hombach blieb von Anfang an symbolisch ein Stuhl für Serbien frei. Und das Mandat der EU-Wiederaufbau-Agentur lässt sich ebenfalls problemlos erweitern.

Weitaus mehr beschäftigt nun die Frage, wie lange es dauern wird, bis der erste Euro in Serbien ankommt. Patten, Solana und Hombach sind sich darüber einig, dass das im sogenannten Cards-Programm schon für Serbien reservierte Geld nun schnell ausgezahlt werden soll. CARDS steht für „Common assistance for reconstruction, development and stabilisation“. Die drängendsten Projekte im Wiederaufbau seien, so Außenkommissar Patten, ohnehin in Umrissen bekannt. Schließlich halte die EU-Kommission schon lange intensiven Kontakt zur demokratischen Opposition in Serbien.

In Euro allerdings wollte Patten seine Zusagen gestern nicht umrechnen – trotz drängender Fragen der Brüsseler Journalisten. Tatsächlich hört beim heiklen Thema Geld die Einigkeit zwischen Rat, Kommission und Parlament auf. Während der Rat davon ausgeht, dass die neue Lage auf dem Balkan dadurch bewältigt werden kann, dass Mittel innerhalb des Topfes für humanitäre Hilfen umgeschichtet werden, wollen Kommission und Parlament „frisches Geld“ für Serbien – am liebsten aus dem Agrarhaushalt und den Beitrittshilfen für Zypern und Malta. 1,6 Milliarden Euro mehr als bisher verabredet sollen 2000 bis 2006 für den Balkan bereitgestellt werden.

Darüber wird die französische Ratspräsidentschaft nicht mit sich reden lassen. Wenn es um die Subventionen für ihre Bauern geht, hört der Spaß auf. Auch der Vorschlag, Geld aus dem Mittelmeerprogramm Meda in den Cards-Topf zu verschieben, erfreut die Franzosen nicht. „Die wollen doch auf dem nächsten Mittelmeergipfel das Füllhorn ihrer Güte über den Nachbarn ausschütten“, wie ein deutscher Diplomat sarkastisch feststellt. Auch die Spanier werden nicht damit einverstanden sein, dass bei Fördermaßnahmen für die Mittelmeeranrainerstaaten gekürzt wird. Deutschland dagegen sieht Einsparmöglichkeiten bei den Mittelmeerprogrammen, denn 26 Prozent der Meda-Mittel sind im vergangenen Jahr gar nicht abgerufen worden – warum also nicht das Geld dort einsetzen, wo es jetzt so dringend gebraucht wird?

Schon nächste Woche, so glauben deutsche Diplomaten, könnte im Ausschuss der Ständigen Vertreter bei der EU die neue Aufteilung der Mittel beschlossen werden – die Abstimmung darüber auf dem Gipfel von Biarritz am 13. Oktober wäre dann nur noch eine Formsache.

Die Erfahrung zeigt allerdings, dass die Union in ihrer gemeinsamen Außenpolitik zwar große Fortschritte gemacht hat, wenn es um ermutigende Erklärungen oder um so genannte Kriseninterventionen geht. Ihre Zahlungsmoral dagegen lässt weiterhin zu wünschen übrig. Gerade Außenkommissar Chris Patten, der nun gemeinsam mit der Weltbank Experten in die Region senden will, um den Bedarf vor Ort zu ermitteln, hat in seinem ersten Amtsjahr mehrfach beklagt, dass die EU-Kommission gar nicht genug Fachleute hat, um Hilfsprogramme pünktlich und effektiv abzuwickeln. Es wäre peinlich, wenn Serbien der herzlichen Einladung an die runden Tische der Region folgen würde und dann vor leeren Tellern säße.

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