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„Die Gefahr einer Rundumversorgungs-Mentalität“

Jürgen Kühling vom Zentrum für Europäische Integrationsforschung in Bonn, hält die Befristung und den stufenweisen Abbau von Subventionen für richtig und gerecht

taz: Wenn die EU-Kommission in ihrem neuen Gemeinschaftsrahmen verlangt, dass alle Umweltbeihilfen in Brüssel angemeldet werden müssen – bedeutet das nicht einen Widerspruch zu Artikel 6 EG-Vertrag, der Umweltschutz als Primärziel der Gemeinschaft verankert?

Jürgen Kühling: Diesen Widerspruch sehe ich nicht. Ich denke vielmehr, dass der Gemeinschaftsrahmen ganz im Sinne von Artikel 6 das Verursacherprinzip betont. Ferner soll erreicht werden, dass die Preise der Produkte ihre Kosten für die Umwelt widerspiegeln. Dadurch wird der Anreiz verstärkt, diese Kosten möglichst zurückzufahren und damit auch die Umweltverschmutzung zu verringern.

Für Kohle und Kernkraft gilt diese Internalisierung der Kosten ja auch nicht. Bedeutet das nicht eine Benachteilung für erneuerbare Energien?

Da ist in der Tat was dran. Die Erneuerbaren haben das Problem, dass sie auf einen Markt kommen, der schon weitgehend liberalisiert ist. Auf sie wird nun das Wettbewebsrecht mit voller Kraft und Härte angewandt. Sie werden schon in einer Phase des Aufbaus und der Investitionen voll beihilferechtlich kontrolliert. Kohleförderung und Atomindustrie wurden dagegen in einer Zeit aufgebaut, als es noch nicht diese strenge beihilferechtliche Prüfung gab. Die Kohle hat noch dazu eine großzügige Ausnahmeregelung.

Wie kann denn Chancengleichheit hergestellt werden, wenn nicht durch Subventionen für die wünschenswerten Energieformen?

Der Gemeinschaftsrahmen verhindert Subventionen ja nicht. Es wird nur eine Befristung und ein stufenweiser Abbau verlangt. Diesen Ansatz halte ich für richtig. Sonst besteht die Gefahr, dass eine Rundumversorgungs-Mentalität entsteht und sich die Produzenten von Erneuerbaren auf die staatliche Unterstützung verlassen – dann hätten wir dasselbe Problem wie bei der Kohle. Das Ungleichgewicht sollte besser dadurch beseitigt werden, dass zum Beispiel die Atomenergie ebenso strengen Kontrollen unterworfen wird. Haftungsrisiken sind bei der Kernkraft ein großer Kostenfaktor. Wenn sie teilweise vom Staat getragen werden, ist das eine Beihilfe.

Die Kommission sagt: Das neue Energieeinspeisegesetz ist prima – vorausgesetzt, ihr behandelt dänische Einspeiser gleich wie deutsche. Widerspricht das nicht dem regionalen Ansatz bei den Erneuerbaren?

Ich bin kein Experte für technische Energiefragen. Gerade im grenzüberschreitenden Bereich kann Energie ganz sicher transportiert werden. In Dänemark werden hohe Windenergie-Kapazitäten aufgebaut mit dem Ziel, den deutschen Markt zu beliefern. Wenn man alternative Energien fördern will, darf es keinen Unterschied machen, ob das Werk in Dänemark oder in Deutschland steht.

Nun wird ein solcher Gemeinschaftsrahmen ja in Eigenregie von der Kommission formuliert. Wo bleibt da die demokratische Legitimation?

Die Kommission tut das ja nicht im luftleeren Raum. Sie legt lediglich Bestimmungen des Gemeinschaftsvertrages aus, hier Artikel 87,3. Die Kommission kann unter gewissen Bedingungen Beihilfen genehmigen, wenn sie positive Ziele wie Umweltschutz verfolgen. Das gibt den Mitgliedstaaten Rechtssicherheit. Es ist aber nicht bedacht worden, in welchem Ausmaß das Beihilferecht zur Kontrolle sämtlicher Politiken der Mitgliedsstaaten führt. Es besteht die Gefahr, dass es zu einer Art Metarecht wird. Das gleiche Problem könnte auch bei der Daseinsvorsorge entstehen.

INTERVIEW: DANIELA WEINGÄRTNER

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