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Mann der Versöhnung

von GEORG BLUME

Mit diesem Friedensnobelpreisträger wäre Konfuzius einverstanden gewesen: „Hat sieben Jahre lang ein wahrhaft Gütiger sein Volk belehrt, so mag er es auch führen in den Krieg“, sprach einst der Meister. Über den südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung müsste er heute hinzufügen: Hat ein Gütiger sein Leben lang sein Volk belehrt, kann er es auch in den Frieden führen.

Kims Lehre manifestiert sich im öffentlichen Bewusstsein in seinen Leiden. Fünf Mordattentate überstand Kim, bis er 1997 zum Präsidenten gewählt wurde. Fünfundfünfzig Mal stand er unter Hausarrest. Sechs Jahre verbrachte er wegen seiner politischen Aktivitäten im Gefängnis. Sechzehn Jahre lang war es ihm verboten, öffentlich aufzutreten. Zweimal musste er für längere Zeit ins Exil. Einmal lag er sechs Tage lang mit Stahl an den Füßen gefesselt auf einem Boot, mit dem ihn der Geheimdienst entführt hatte. Trotzdem stand Kim immer wieder auf. Nicht zuletzt ihm verdankt Südkorea, dass trotz jahrzehntelanger Diktatur der demokratische Funke nicht erlosch und Feuer schlug, als Arbeiter und Studenten 1987 auf die Barrikaden gingen.

Danach ging es mit Kim bergab. Drei Präsidentschaftswahlen hatte Südkoreas Demokratieheld am Ende verloren: 1971, 1987 und 1992. Als er dann seinen Rücktritt aus der Politik bekannt gab, atmeten vor allem die ihm Nahestehenden auf. Das war im boomenden Südkorea Anfang der Neunzigerjahre. Kim schien seiner Zeit vollkommen entrückt.

Er gehört noch zu einer Generation, in der man das eigene Geburtsjahr nicht kennt. Ist er 74 Jahre, oder doch schon 76? Der Bauernsohn aus der südlichsten und traditionell ärmsten Provinz der koreanischen Halbinsel fand früh einen Job bei einer japanischen Schifffahrtslinie. Da geschah etwas Entscheidendes: Der Schiffsjunge verlernte seinen Hass auf die japanischen Kolonisatoren. Auch dafür bekam er jetzt den Friedennobelpreis. „Kim Dae Jung hat sich für die Aussöhnung Südkoreas mit anderen Nachbarländern, darunter vor allem Japan, eingesetzt“, ließ das Nobelkomitee verlauten.

Doch im Vordergrund der Preisverleihung steht die innerkoreanische Annäherung. Mehr wie ein freundliches Familientreffen nach langer Trennung als wie der Handschlag zweier Erzfeinde wirkte das erste innerkoreanische Gipfeltreffen zwischen Kim und seinem Gegenüber Kim Jong Il in diesem Juni. Darauf und auf die jetzige Nobelpreisvergabe werden sich in Zukunft große Hoffnungen für ein friedliches Miteinander in ganz Nordostasien gründen.

Der unerschütterlich von sich überzeugte Kim trat 1997 noch einmal als Präsidentschaftskandidat an, krampfhaft auf jünger getrimmt, in Nadelstreifen mit gelbem Schlips auf blauem Hemd samt bunten Manschetten – im modernen Managerlook. Er trug und trägt noch heute etwas zu deutlich schwarz gefärbtes Haar. Seine Kampagne sah hoffnungslos aus, bis alles mit der südkoreanischen Wirtschafts- und Währungskrise eine unvorhergesehene Wende nahm. Plötzlich brachen wieder schwere Zeiten an. Für sie scheint der Alte auch heute wieder wie gemacht.

Denn ein Nobelpreis macht noch keinen Frieden und erst recht kein vereintes Korea. Vielleicht fangen die Schwierigkeiten jetzt erst an. Bisher sorgte der Waffenstillstand auf der Halbinsel für eine klare Rollenverteilung der im Hintergrund beteiligten Großmächte: Die USA stützen den Süden, China und die Sowjetunion, solange es sie gab, den Norden. Japan enthielt sich. Seit aber Kim Jong Il neben seinem Namensvetter jederzeit ansprechbar auf der Weltbühne steht, verschieben sich die Gewichte. Nordkoreas höchster General sprach am Donnerstag mit Bill Clinton, und Japan verhandelt plötzlich mit Nordkorea. Auch dank Kim Dae Jung ändert sich die Welt.

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