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Vom Mythos Freak und der Freuden an kleinen Sachen

■ Der Internationale Frauenstudiengang Informatik hat mit 30 Erstsemesterinnen an der Hochschule begonnen

„Sie studieren hier nicht Informatik für Frauen, Sie machen einen ganz normalen Diplomstudiengang Informatik.“ Sagte ein Mann zu 30 Frauen, als das Semester an der Hochschule begann. Der Mann war Fachbereichsleiter Professor Axel Viereck, die Frauen sind die ersten Studentinnen des „Internationalen Frauenstudiengangs Informatik“.

Warum für Frauen? Weil Frauen keine Lust haben, sich von quadratglotzenden Freaks in Cordhosen dämlich anquatschen zu lassen und ergo einen geschützten Raum brauchen, wo sie alle doofen Fragen stellen können, die in Wirklichkeit keine sind, nur von besagten Kommilitonen als solche abqualifiziert werden? „Jein“, sagt dazu Regine Komoß. Sie studiert nicht Informatik, sondern guckt den Studentinnen zu, begleitet das Ganze wissenschaftlich. Also jein. Nein, „weil Frauen keine defizitären Wesen sind“, aber genau das werde mit einer solchen Begründung suggeriert. Und ja, „weil wir hier eine Situation geschaffen haben, in der Frausein keine Rolle mehr spielt, weil hier alle Frauen sind.“

Vier Jahre dauert der Studiengang, dazwischen ein Auslands- und ein Praxissemester. Genug Zeit, die männerbehaftete Arbeitsrealität kennenzulernen und sich zurechtzufinden.

Jede kann anfangen. „Es reicht ein Interesse“, sagt Beobachterin Komoß. Gut, wenn das Interesse sich auf Mathematik und Technik richtet. Aber ein Freak zu sein, „der 50 mal den Computer auseinander- und wieder zusammengeschraubt hat, das ist ein Mythos.“ Und längst nicht mehr ausreichend. Sozialkompetenz, Transferleistungen, Teamfähigkeit – die Zauberworte des 21. Jahrhunderts gelten natürlich auch hier. Freaks sind auch unter den 30 Frauen, aber auch solche, die nicht mehr als ein Schreibprogramm beherrschten.

„Operatoren“, sagt Elke Wilkeit zu 15 Frauen, „Operatoren sind die Dinger, die Sie aus der Mathematik kennen, mit denen man addiert oder subtrahiert oder so.“ Elke Wilkeit lehrt Programmieren, war vorher an der Universität Oldenburg und findet's in Bremen „toll“. Ob's wegen der Frauen oder wegen der kleinen Gruppen ist, kann sie noch nicht sagen. Weiter geht es mit mathematischen Grundlagen und damit, was der Computer daraus macht. Die Botschaft: Er macht nur das, was ihm gesagt wird. Wenn man ihm beibringt: „i = 5“ – aus welchen Gründen auch immer – dann, so lernen die Informatikerinnen in spe, reicht es erstmal zu wissen, dass „i = 5“ für den Compi nie „5 = i“ sein kann. „L-Wert“ und „R-Wert“, sagt die Fachfrau dazu, für den linken und den rechten Wert. So schlicht kann Informatik sein. In Wahrheit ist es natürlich viel vielschichtiger. Aber immerhin, Platz für die Frage „warum heißt das arithmetischer Operator?“ ist auch. „Weil es ein Operator ist, den man zum Rechnen benutzt“, sagt Dozentin Wilkeit in einen kichernden Haufen. Informatik im ersten Monat des ersten Semesters.

„Eigentlich mehr das Fach“, sagt Nicole, 29, auf die Frage, was sie mehr gereizt hat: Informatik oder der Frauenstudiengang. Sie hat zuvor Bekleidungsfertigung studiert. „Da waren auch fast nur Frauen, aber das war ein ganz anderer Schlag von Frauen.“ Dann hat sie Webseiten für eine Agentur erstellt. Die meisten hier haben wie Nicole vorher schon etwas anderes gemacht. Wie Astrid und Inka. Astrid, 25, hat Biologie studiert und dann „Lust, noch weiter zu lernen“. Und: „Jetzt mal etwas zu studieren, womit ich mal Geld verdienen kann, wäre nicht schlecht“ – das war eines von mehreren Motiven. Vor allem aber der Ärger, als Anwenderin bei Problemen nicht weiter zu wissen, und der Wille, das zu ändern. Den Frauenstudiengang habe sie gezielt gewählt, wegen der geringeren Hemmschwellen. Ähnlich Inka, 28. Sie hat BWL studiert und ein paar Jahre gearbeitet. Ihr Motiv: „Wie laufen bestimmte Programme, wie kann ich Einfluss nehmen?“ Für sie war klar, sie wird Informatik studieren. „Aber der Frauenstudiengang war erste Wahl.“ Inka sagt, Frauen hätten einen anderen Zugang zum Medium und einen anderen sozialen Umgang als Männer. Mit anderen Worten sagt das auch Nicole: „Die Mentalität von Frauen ist ganz anders. Wir freuen uns schon über die kleinsten Sachen.“

Na klar gucken Studenten blöd, machen Freunde mal doofe Bemerkungen. Was die Frauen davon halten, bringt Monika, 22, auf den Punkt: „Das ist uns eigentlich egal“. sgi

www.informatikerin.hs-bremen.de

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