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Weißhaarige Paten an der Wiege

Das „Deutsche Centrum für Photographie“ nimmt Gestalt an. Der erste „Berlin Photograpy Price“ ging an Richard Avedon – nicht gerade ein Zeichen für Risikofreude

Wie bringt man zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein Museum der Fotografie auf den Weg? Vielleicht mit Cindy Sherman, Nan Goldin und Bettina Rheins, alle drei tief verwickelt in aktuelle Debatten über Inszenierung und Authentizität, Postfeminismus und Ethos der Kunst? Aber nein! An die Wiege des Deutschen Centrums für Photographie (DCP), das in Berlin gegründet wird, bittet man alte Recken zu Paten, ergraut im Dienst hinter der Kamera, den Blick fest auf die Schönheit der Frauen geheftet. Nach Helmut Newton, der zu seinem achtzigsten Geburtstag mit einer Ausstellung in der Nationalgalerie geehrt wurde, tritt nun Richard Avedon auf den Plan.

Er bekam gestern den ersten Berlin Photography Prize überreicht, dotiert mit 20.000 Euro. Der Preis wurde von der DG-Bank zur Unterstützung der Berliner Museumsgründung gestiftet und wird die nächsten fünf Jahre zusammen mit dem International Center of Photography (ICP) aus New York verliehen. Schon letztes Jahr wurde an diesem Netzwerk von Sponsoren und Institutionen gestrickt, als das ICP, das jährlich den Infinity Award vergibt, seine Preisverleihung nach Berlin verlegte und Fritz L. Gruber, den langjährigen Chef der Kölner Messe Photokina und Sammler, auszeichnete. Manfred Heiting, Projektleiter des DCP und auch ehemals Kurator der Photokina, knüpfte die Verbindungen. Mit Avedon hat der agile Projektleiter Heiting ebenfalls schon in den Siebzigerjahren zusammengearbeitet, als er noch Art Director von Polaroid war. Schon damals war der 1923 in New York geborene Fotograf berühmt für eine Isolation der Modelle, für gnadenlose Nähe und künstliche Ausleuchtung. In diesem bewussten Umgang mit der Inszenierung verwischte er auch die Grenzen zwischen der Modefotografie und seinen Porträts, rückte er doch seinen Gegenübern in beiden Gattungen gleichermaßen zu Leibe. Mit Porträts von Strafgefangenen oder Arbeitern aus dem amerikanischen Westen wurde er auch zum Chronisten der Geschichte. Eine Serie über seinen Vater als alten und sterbenden Mann gehört zu seinen persönlichsten Arbeiten. Dieses Portfolio „Jacob Israel Avedon“ schenkt er dem DCP, das damit neben Newton einen weiteren prominenten Baustein vorzuweisen hat.

Es ist schon ein merkwürdiger Job, den Ruf eines Museums zu verbreiten, das es noch gar nicht gibt. Für eine Bank mag dies nicht irrealer sein als der Handel mit Aktien: Je mehr von der Qualität des Kommenden überzeugt sind und investieren, desto besser funktioniert die Grundausstattung. Als Gewährsmänner für den Erfolg fungiert auch ein Förderkreis des DCP, an dem der ehemalige Generaldirektor Wolf-Dieter Dube, der den Plan für das DCP an seinen Nachfolger vererbt hat, mit den Sammlern Heinz Berggruen, Erich Marx und dem Modefotografen F. C. Gundlach teilnimmt. Diese Ehrenriege kann einen schon zum Grübeln bringen, denn sie ist nicht gerade für Risikobereitschaft und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Medien bekannt. Ihre Verdienste liegen mehr im Bereich historisch gesicherter Werte und Waren.

Dieweil außen der Rahmen poliert wird, zeigt die Gründung des DCP innerhalb der 17 Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wenig Wirkung. Die Kunstbibliothek bereitet in eigener Regie eine weitere Ausgrabung aus ihrem Archiv vor: Ab 1. Dezember stellt sie die Sammlung des Altertumsforschers John Henry Parker vor, der im 19. Jahrhundert Fotografien, die der Archäologie und den Kunstschätzen Rom galten, zusammengetragen hat. KATRIN BETTINA MÜLLER

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