: Unsere Antwort auf Faschismus
Warum haben sich Parteien und Gewerkschaften nicht an der Demonstration gegen die Nazi-Kundgebung beteiligt? Eine Umfrage ■ Von Heike Dierbach
Am Sonntag sind am Dammtor rund 80 Nazis aufmarschiert und haben am „Kriegsklotz“ einen Kranz für gefallene Wehrmachtssoldaten niedergelegt. Die Aktion und (nach Abzug der Nazis) der Kranz wurden von einem massiven Polizeiaufgebot geschützt. An einer antifaschistischen Gegendemonstration, zu der Regenbogen aufgerufen hatte, beteiligten sich auf der Moorweide rund 300 Menschen. SPD, CDU, GAL und der DGB waren nicht vertreten. Warum nicht? Antworten von Hamburger Enscheidungsträgern.
Olaf Scholz, Vorsitzender der Hamburger SPD:
Es ist bedrückend, dass die Neonazis versuchen, den Volkstrauertag durch so eine peinliche Veranstaltung zu missbrauchen. Ich denke aber, die „Anständigen“ müssen nicht über jeden Stock springen, den die Rechtsradikalen hinhalten. Man sollte nicht mit Gleichem auf Gleiches reagieren. Es kann sinnvoller sein, an anderer Stelle eine stille Mahnung zu halten oder auch etwas einfach gelangweilt nicht zu beachten, das kann auch eine Aussage gegen rechte Gewalt sein. Oder eben eine große Demonstration wie in Berlin, wo wir ja alle waren. In Hamburg ist sicher der Ratschlag das richtige Gremium.
Ole von Beust, Fraktionsvorsitzender der CDU:
Ich denke, dass solche Gegendemonstrationen kontraproduktiv sein können. Genau das wollen die Neonazis doch: Dass durch das hohe Polizeiaufgebot und die Gegendemonstration die Berichterstattung über sie größer wird. Und wirklich ändern können ja auch Gegendemonstrationen nichts. Würde man die Neonazis hingegen mit ihren Demonstrationen allein lassen, würden sie vermutlich eher „verhungern“. Ich denke, es ist viel wichtiger, dort zu sein, wo es um die Betroffenen geht – deshalb war ich auch beispielsweise am 9. November nicht bei der Kundgebung, sondern in der Synagoge.
Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg:
Für uns kam der Aufruf einfach zu kurzfristig. In der Zeit konnten wir nicht mehr alle notwendigen Gremien und die Betriebe befragen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht dafür waren, wir rufen ja auch zu der Demonstration morgen in Elmshorn auf. Es stellt sich allerdings die Frage, ob man sich nicht vorführen lässt von den Nazis. Das ist zweischneidig: Die Nazis freuen sich doch, wenn sie mit 20 Leuten von 500 Polizisten begleitet werden, das beeindruckt gerade junge Leute. Und die größte Gefahr sind ja nicht diese paar Extremisten, sondern der Rechtspopulismus, der sich in unserem Land ausbreitet.
Antje Radcke, Sprecherin des GAL-Landesvorstands:
Ich war selbst gestern nicht in Hamburg, sonst hätte ich an der Demonstration teilgenommen. Es ist wichtig, im Alltag immer wieder Gesicht zu zeigen und eben nicht nur bei großen, symbolischen Aktionen. Ich werde das auch im Landesvorstand ansprechen, damit wir verstärkt zu Gegendemonstrationen mobilisieren. Es ist allerdings auch so, dass man sich als VertreterIn der GAL auf diesen Demos manchmal beschimpfen lassen muss. Da sitzen die Wunden seit Kosovo ganz tief. Wobei das für mich persönlich kein Grund ist, nicht hinzugehen: Wir dürfen uns nicht zurückziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen