: Für Geld machen wir alles, auch eine schlechte Show
Nachdem sogar auf RTL2 die ordinäre Quizshow ihre Renaissance feiert, hat’s endlich auch das ZDF gemerkt – und setzt das Format gegen die Wand
Vor, auf und hinter dem Bildschirm ist die große Gier ausgebrochen. Millionen Deutschen zocken mittlerweile an der Börse, obwohl sie von Hausse und Baisse nicht die Bohne verstehen. Da ist es angenehm, wenn das Fernsehen zeigt, dass auch der größte Doofkopp Riesengewinne machen kann, solange er es versteht, Regionen von Religionen zu unterscheiden oder weiß, dass die Elbe ein Fluss und nicht der Bundeskanzler ist.
Knete gibt es auf allen Kanälen. Da sind die „Quiz Show“ und „Glücksspirale“ auf Sat.1, und auch RTL und RTL2 sind auf der Pirsch nach zukünftigen Glückspilzen. Die Quizschwemme läuft weltweit, in den USA natürlich am besten. „Who wants to be a millionaire?“, das Original der identischen RTL-Sendung „Wer wird Millionär?“ brachte den Sender ABC auf den Spitzenplatz aller Zuschauerstatistiken. Freuen konnte sich darüber ABC-Besitzer Disney. Die Aktien des Unterhaltungskonzerns stiegen wegen der Fernseheinnahmen gleich um 50 Prozent.
45 Jahre nach Robert Lembkes heiterem Beruferaten „Was bin ich?“ hat das Fernsehen endgültig die Rätselshow wiederentdeckt. Über vier lange Fernsehjahrzehnte sorgte die Schweinderl-Sendung mit der aberwitzigen Gewinnsumme von 50 Mark pro Runde für Einschaltquoten von 40 bis 50 Prozent. Genau die Quote, die jetzt auch Günther Jauch einfährt. Passend zur Flaute programmverstopfender Labershows setzen die Fernsehmacher nun auf Geld und Spiele, um das Publikum zu erreichen. Die Rätselshows haben einen großen Vorteil gegenüber anderen Formaten: Sie kosten fast nichts.
Zwar sahnt Glückspilz Günther Jauch mit 12 Millionen Mark im Jahr den absoluten Volltreffer ab, doch solche Summen und die Auszahlung der Kandidatengewinne werden aus einem großen Topf gezahlt, in den das Geld unaufhörlich fließt. Angelockt durch simpelste Fragen, bewerben sich stündlich tausende möglicher Kandidaten – und wählen dazu die teuren 0190-Nummern. Kassieren tun in diesem Fall die Fernsehsender. Und sollte der Super-GAU eintreten und tatsächlich – wie am Montag in Großbritannien geschehen – ein frischer Millionär vom Fernsehstapel laufen, springt eine Versicherung ein, um den „Schadensfall“ zu regulieren.
Da ist es kein Wunder, wenn weltweit die Quizshows zum Dukatenesel der Sendeanstalten mutieren. In Brasilien avancierte der Sender SBT mit Shows wie „Topa tudo por dinheiro“ („Für Geld mache ich alles“) zur zweitgrößten Anstalt des Landes. Nun hat der rüstige Rentnersender ZDF sein Ticket für diesen Zug zum Reichtum gelöst.
„CA$H – Das Eine-Million-Mark-Quiz“ ist der originelle Titel der Monetenshow, die seit Dienstag ausgestrahlt wird, moderiert vom Lotto-Luder Ulla Kock am Brink. Angefangen als Wetterfee, sammelte sie später Domina-Erfahrung in der „100.000 Mark Show“ und begeisterte als professionelle Heulsuse bei „Verzeih mir“. Nach dem Crash mit einer eigenen Show auf Pro7 gibt es nun also „CA$H“. Dass sie die Prasserei beherrscht, beweist die „Blonde mit Hirn“, so der Branchenspott, bereits in der ARD mit der großen Lottoshow. Über 25 Millionen Mark habe sie bereits unter das Volk geworfen, rühmt sie sich selbst.
Doch Dienstagabend standen die bräsigen Kandidaten am Ende mit leeren Händen da. Als wären Finanzbeamte und Hausfrauen in die „Enterprise“ gebeamt worden, so fassungslos hielten sie sich an der Raumschiffkulisse fest. Gescheitert an Fragen nach Hera Lind und Lothar Matthäus. Als Trost blieb ihnen nur geheimnisvoller Spott zum Abschied: „Grüßen Sie daheim Ihre Orchideen!“ ALF IHLE
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