: Eiersalat ohne Würze
„Pro“ bleibt Pro und wird nicht „Schill-Partei“. Erster Parteitag der „Rechtsstaatlichen Offensive“ alles andere als offensiv ■ Von Elke Spanner
Der Landesparteitag ist zugleich der Bundesparteitag, weil „die Strukturen außerhalb Hamburgs fehlen“, wie die Einladung verrät. Es fehlt noch mehr. Junge Leute zum Beispiel. Das Durchschnittsalter liegt jenseits der 50 Jahre. Dafür, dass das so bleibt, sorgen die Saalordner. Zwei Jugendlichen mit Basecap wird der Zutritt zum Bürgerhaus Wilhelmsburg verwehrt, „wir sind hier ja nicht die CDU mit Junger Union und so.“
Es fehlt noch mehr. Aufbruchstimmung zum Beispiel. Es ist der erste Parteitag der „Partei Rechtsstaatlicher Offensive (Pro)“, die kommendes Jahr ins Rathaus einziehen und den Innensenator stellen will, rund 400 Menschen sind gekommen, und ehe nur ein Wort zum Programm gefallen ist, ermüdet der Vorstand seine Mitglieder mit Wahlen. Nur kurz hat Gallionsfigur Ronald Schill seine AnhängerInnen begrüßt. Hat ihnen erzählt, dass ein Mitglied Schill nach dessen strafrechtlicher Verurteilung wegen Rechtsbeugung mit einem Ahnen verglichen hat, der 1933 von den Nazis verfolgt wurde. Dann hangelt man sich von Antrag zu Antrag und verbringt die Zeit mehr mit dem Essen ungewürzter Eiersalat-Brötchen im Foyer als mit Parteiarbeit im Saal.
Der erste programmatische Satz fällt nach fast drei Stunden, als der „Ersatzbeisitzer“ des soeben bestimmten Schiedsgerichtes gewält werden soll und jener kandidierende Herr Burghardt sagt, dass er seit 22 Jahren mit der gleichen Frau verheiratet und außerdem davon überzeugt ist, dass die Pro bei den Bürgerschaftswahlen ins Rathaus einziehen wird. Es gibt wohl Applaus, aber inzwischen sind die Mitglieder so ermüdet, dass der Beifall nur dünn zu vernehmen ist.
507 Mitgleider zählt die Pro mittlerweile, 263 sind ins Bürgerhaus Wilhelmsburg gekommen. Als sie sich endlich zu Wort melden dürfen, vollzieht sich eine kleine Rebellion gegen den bisher allmächtigen Vorstand. Die Pro-Anhänger stimmen mit großer Mehrheit gegen den Antrag des Vorstandes, das Kürzel der Partei von „Pro“ in „Schill-Partei“ abzuwandeln. Die „Pro Deutsche Mitte – Initiative Pro D-Mark“ will in Hamburg ebenfalls für die Bürgerschaft kandidieren und hat der „Pro“ wegen der Verwechslungsgefahr mit einem Rechtsstreit gedroht. Um den zu vermeiden, wollte der Vorstand die Partei nach ihrer Gallionsfigur benennen, obwohl „ich eigentlich gegen Personenkult bin“, behauptete Schill. Würde er hingegen nicht „seinen Familiennamen in die Waagschale werfen“, müssten Gerichte über den Titel der Partei befinden, „die möglicherweise auch aus anderen Gründen gegen uns entscheiden“.
Obwohl er wiederholt gegen hiesige Gerichte polemisiert – im Oktober wurde er selbst strafrechlich verurteilt – haben Schills Anhänger den Glauben an die Justiz offenbar nicht verloren. Nur 45 stimmten mit Schill, 142 gegen dessen Antrag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen