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DIE HESSISCHE CDU WILL WAHLPRÜFUNGSGERICHT BEHINDERNÜberleben bis zum Pensionsanspruch

Die Demokratie kommt voran. Sich selbst zu prostitutieren – oder die Prostitution anderer zu ermöglichen – ist nicht mehr in jedem Fall eine sittenwidrige Handlung, stellten gerade Berliner Richter fest. Das geht in Ordnung. „Alte Zöpfe noch aus den Zeiten der Weimarer Republik“ will angeblich auch der Staatsminister in der Hessischen Staatskanzlei, Jochen Riebel (CDU), abschneiden lassen – und zwar vom Bundesverfassungsgericht. Dabei denkt Riebel allerdings an andere Lebenslagen als an horizontale. In Karlsruhe geht es nämlich seit gestern indirekt auch um die ganz spezielle Lebenslage von Ministerpräsident Roland Koch im Landtagswahlkampf 1999, in den Geld von schwarzen Konten „hineingebuttert“ wurde. Und genau deshalb geht es auch nicht in Ordnung, dass sich die hessische Regierung plötzlich – nach 50 Jahren „Toleranz“ – am hessischen Wahlprüfungsgericht reibt und Klage gegen die Landesverfassung erhebt: aus Angst vor der Wahrheit – und den bitteren Konsequenzen für die Landesregierung.

Das Wahlprüfungsgericht hatte die Wahlkampffinanzierung mit dem Schwarzgeld von den Auslandskonten der CDU für „sittenwidrig“ erklärt. Legitimiert durch die Landesverfassung beschäftigt sich dieses Gremium aus drei Landtagsabgeordneten und den beiden höchsten Richtern des Landes seit März 2000 mit der Frage, ob Kochs Wahl für ungültig erklärt werden muss. Mit dem Begriff der „Sittenwidrigkeit“ werde „subjektiven Werturteilen Tür und Tor geöffnet“, argumentiert Riebel. Den Spruch des Wahlprüfungsgerichts fürchtet sein Chef Koch dennoch. Die Wahlprüfer haben schließlich inzwischen fast alle Akten zur Einsicht vorliegen. Die Wahrheit lässt sich nicht verbiegen; höchstens das Wahlprüfungsgericht aus der Verfassung eliminieren.

Koch und Kumpane wollen das Bundesverfassungsgericht für dieses letzte „politische“ Ziel ihrer Landesregierung missbrauchen; Motto: Überleben bis zum Pensionsanspruch nach zwei Jahren an der Macht (Februar 2001). Oder wenn es irgendwie geht – mit Hilfe der FDP – bis zur Hessenwahl 2003. Wie auch immer die Sache ausgehen wird: Hessische Landespolitik wird jetzt in Karlsruhe „gemacht“. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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