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Do It Wrong, Or Do It Right

Haushaltsdebatte im Abgeordnetenhaus: Echte Kontroversen gab es kaum, Landowsky verteilte Noten und auch die anderen Redner der Koalitionsparteien attackierten sich vorzugsweise gegenseitig. Könnte also jeder mit jedem koalieren?

von RALPH BOLLMANN

Diesmal ging es schnell zur Sache. In der Etatdebatte des Landesparlaments blieben dem Publikum gestern umständliche Ausführungen über die Arbeit des parlamentarischen Haushaltsausschusses erspart: Der Vorsitzende des Gremiums war gar nicht erst erschienen, weil er sich in der Uhrzeit geirrt hatte. Sein Stellvertreter musste einspringen, er formulierte – unvorbereitetet, wie er war – kurz und bündig: „Relativ betrachtet relativiert sich vieles.“

Da hatte er allerdings Recht. Wäre ein Außenstehender unvermittelt in die gestrige Debatte geraten – er hätte nicht erkennen können, welche Parteien in der Berliner Landespolitik eigentlich das Regierungsbündnis bilden. Waren die pflichtgemäßen Bekenntnisse zu ihrer Zwangsehe erst abgespult, attackierten sich die Redner der beiden Koalitionsparteien CDU und SPD vorzugsweise gegenseitig. Ging es um die Bundespolitik, war sich die SPD ohnehin mit den Grünen einig. Und auf dem Feld der Innenpolitik stand die gesamte rot-rot-grüne Phalanx gegen die Union.

Für die CDU verteilte Fraktionschef Klaus Landowsky wieder höchstpersönlich die Zensuren, nachdem Vize Frank Steffel in der Etatdebatte des Vorjahres die Erwartungen offenbar nicht erfüllt hatte. Landowsky übte sich in der Kunst des vergifteten Kompliments. So sagte er, Supersenator Peter Strieder (SPD) habe es mit seinem Ressort „ziemlich gut“ – aber: „Wer zu viel Zeit hat, kommt leicht auf dumme Gedanken.“ Und Krankenhaussenatorin Gabriele Schöttler (SPD) musste sich bescheinigen lassen, nach dem Ausscheiden ihres Staatssekretärs „einen beachtlichen Teil der Sachkunde verloren“ zu haben. Den dritten SPD-Senator, Klaus Böger aus dem Schulressort, vereinnahmte Landowsky gleich für die CDU: „Vieles von dem, was wir wollen, wollen auch Sie.“

Vergiftet waren auch Landowskys Komplimente für die Ressortchefs aus der eigenen Partei. Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner, sagte er, sei „agil und dynamisch“ wie sein – für Agilität und Dynamik nicht eben bekannter – Vorgänger Elmar Pieroth in dessen „besten Jahren“. Den Innensenator Eckart Werthebach hakte Landowsky reichlich knapp als „souverän und gelassen“ ab. Nur Finanzsenator Peter Kurth erhielt ein Lob, das wenig Raum für Interpretationen lässt: Er habe seine Aufgabe „mit Bravour und Esprit“ gelöst.

Und Kultursenator Christoph Stölzl? Mit seinem Amtsantritt sei „endlich wieder Intellektualität und Geist in die Politik eingezogen“, rühmte Landowsky – worauf sein SPD-Kollege Klaus Wowereit fragte, was der CDU-Stratege damit über die übrigen Senatsmitglieder sagen wolle: „Ich wage es ja gar nicht auszusprechen“, so Wowereit.

Landowsky leidet offenkundig unter dem Problem, dass er für sein rhetorisches Talent in der landespolitischen Szene Berlins kaum noch Ziel und Richtung findet. Echte Kontroversen gab es gestern kaum, in der groben Linie waren sich alle einig, von CDU bis PDS: Der Haushalt muss saniert und das soziale Gleichgewicht gewahrt, der Großflughafen rasch gebaut und die Chance der neuen Metropole genutzt werden.

Selbst die Vokabel „Leitkultur“, von Wowereit als „Unwort des Jahres“ gegeißelt, trennte die Kontrahenten nicht wirklich. Landowsky legte für die CDU ein politisch korrektes Bekenntnis zum Verfassungspatriotismus ab. Es hätte auch der Rede entlehnt sein können, die Verteidigungsminister Rudolf Scharping vor den Delegierten des jüngsten SPD-Landesparteitags gehalten hatte.

Könnte also jeder mit jedem koalieren? Theoretisch ja, praktisch jein. Die SPD werde sich an rot-roten Spekulationen „nicht beteiligen“, sagte just Fraktionschef Wowereit, der das Tor zur PDS als einer der Ersten geöffnet hatte. „Wir haben eine Koalition für fünf Jahre abgeschlossen“, so Wowereit, „es liegen noch viele Aufgaben vor uns.“

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