: Umwelt auf chinesische Art
Auf der deutsch-chinesischen Umweltkonferenz in Peking wurde die Kluft im Ökologiebewusstsein beider Länder deutlich. Durch Entwicklungshilfe sinkt der Kohleverbrauch in Kraftwerken. Keine finanziellen Zusagen für Transrapid aus Deutschland
aus Peking GEORG BLUME
Wo die Chinesen wirklich stehen im Ökodialog, erfuhr Ernst Ulrich von Weizsäcker auf der Umweltkonferenz in Peking erst gestern Morgen in einer Arbeitsgruppe: „Da stand plötzlich ein chinesischer Redner auf und behauptete, dass sein Land unbedingt billige Energie brauche und dafür die riesigen Kohlereserven Chinas mobilisieren müsse“, erzählt Weizsäcker. Der Gründungspräsident des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie traute seinen Ohren nicht. „Krank“ nennt er eine solche Haltung. Tatsächlich aber erhielt der Redner den Applaus des chinesischen Publikums.
Was Weizsäcker erlebte, passt nicht so ganz ins festliche Bild einer Konferenz, die unter dem Motto „Gemeinsame Wege für eine nachhaltige Entwicklung“ in einem weihnachtlich geschmückten Pekinger Luxushotel annähernd 1.100 deutsche und chinesische Umweltschützer und Unternehmer unter Regierungsregie zusammenbrachte. Im Grunde handelte es sich um eine altmodische Veranstaltung: „Wenn die Chinesen an Deutschland und Umwelt denken, dann klickt bei ihnen das Thema Schadstoffkontrolle“, beobachtete Weizsäcker. Er stellt in China heute das gleiche Umweltinteresse fest, das in den Siebzigerjahren die Bundesrepublik beherrschte. „Damals war bei uns das Ruhrgebiet dreckig und wollte sauber werden“, erinnert sich der Nachhaltigkeitsforscher. „Nicht mehr und nicht weniger will heute China. Solarenergie hingegen ist den Chinesen eine deutsche Marotte.“
Weizsäckers kritischer Blick auf die Umweltkonferenz verstellt nicht den Zugang zu neuen Erkenntnissen. Selbst der Professor ist überrascht vom Erfolg deutscher Entwicklungshilfe im chinesischen Energiesektor: So führte die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) mit der Einführung energiesparender Techniken in den alten Industriegebieten vor, wie das Einschränken der chinesischen Kohleverschwendung in alten Kraftwerken den Gewinn der Kraftwerksbetreiber erhöht.
Politisch war die Ausbeute der Konferenz etwas geringer. Gleich zu Beginn fehlten die Hauptdarsteller: Sowohl der chinesische Premierminister Zhu Rongji als auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer, die beide die zweitägige Konferenz eröffnen wollten, hatten ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt. Zumindest Jürgen Trittin und Heidemarie Wieczorek-Zeul aber konnte das recht sein. Den deutschen Ministern für Umwelt und Entwicklung blieben damit ihre Hauptrollen unbenommen. Wieczorek-Zeul nutzte das zu einer intelligenten Rede über eine „umweltgerechte Stadtentwicklung“ und dem weniger intelligenten Aufgreifen chinesischer Redensarten: „Wir haben nur einen gemeinsamen Himmel, den wir gemeinsam schützen müssen“, zitierte die Ministerin entzückt einen chinesischen Gesprächspartner.
Umweltminister Trittin beließ es öffentlich bei Allgemeinplätzen: „Umweltpolitik ist kein Luxus, sondern ein wichtiger Modernisierungsfaktor“, belehrte er seine Gastgeber. Seine wichtigsten Eindrücke nahm der Minister aus einem Gesprächskreis mit chinesischen Rechtsanwälten nach Hause. In ihren Erklärungen über die chinesischen Rechts- und Wirtschaftsreformen meinte Trittin eine Zukunft zu erkennen, in der der monolithische Anspruch der kommunistischen Partei Chinas durch die bevorstehende Aufnahme des Landes in die WTO aufgelöst würde.
Blieb ein wichtiges Thema am Rande der Konferenz: Soll die Bundesregierung den Bau des Transrapid in Schanghai mitfinanzieren? Offenbar stehen die Vertragsverhandlungen zwischen Deutschen und Chinesen in Schanghai kurz vor dem Abschluss – oder dem Abbruch. Wieczorek-Zeul aber weigerte sich gestern, dem Projekt vergünstigte Entwicklungskredite einzuräumen: „Der Transrapid ist für mich kein Thema unter dem Stichwort erneuerbare Entwicklung“, schob die Ministerin alle Anfragen der Industrie zur Seite.
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