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Neuer Justizminister Pfeiffer wehrt sich gegen Kritik

Niedersächsischer Kriminologe Pfeiffer bestreitet bei seinem Amtsantritt als Minister Fehler im Fall Sebnitz. Neue Sozialministerin überversorgt?

HANNOVER taz ■ Der frisch gebackene niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer (SPD) gab sich selbstbewusst, wie immer: „Uns lagen zum Fall Sebnitz umfangreiche Unterlagen mit detaillierten Aussagen vor, wir würden uns wieder genauso verhalten und die Behörden aufmerksam machen“, sagte der Kriminologe gestern, als er mit den beiden anderen neuen Mitgliedern des Landeskabinetts, Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) und Wirtschaftsministerin Susanne Knorre (parteilos), das obligate Foto auf der Landtagstreppe hinter sich gebracht hatten. Aus der Geschichte um den angeblich von Neonazis ertränkten 8-jährigen Jungen hat Pfeiffer nach eigenem Bekunden nichts dazulernen müssen.

Der bisherige Leiter des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen war schon vor seinem Amtsantritt mit Rücktrittsforderungen konfrontiert worden. Pfeiffer hatte im Fall Sebnitz einen Anfangsverdacht für eine rechtsradikale Straftat gesehen, der sich bislang nicht bestätigte. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) sprach Pfeiffer deshalb die Befähigung ab, das Justizressort zu leiten. Auch die niedersächsische CDU griff den Fall dankbar auf. So sagte Fraktionsvize Bernd Busemann, Pfeiffer habe „nicht die Eignung für das Amt“.

„Biedenkopf braucht einen Sündenbock für die Fehler seiner Behörden“, entgegnete Pfeiffer gestern. Die Polizei in Sachsen sei trotz der Brisanz des Falles untätig geblieben. Es habe vier Monate gedauert, bis die erwachsenen Belastungszeugen vernommen worden seien. Bei Problemen von Bürgern mit der Justiz habe sein Institut auch die Funktion einer Art Ombudsmann. „Manchmal erkennt man gleich, dass da nichts dran ist, manchmal muss man dem näher nachgehen.“ Genau das habe man im Fall Sebnitz getan und aufgrund der Zeugenaussagen von einem Anfangsverdacht gesprochen, dem man näher nachgehen müsse. Erst die Staatsanwaltschaft sei dann von einem dringenden Tatverdacht ausgegangen.

Pfeiffer muss sich aber ankreiden lassen, dass er sich nur am Anfang vorsichtig zu der Nazi-Mord-Hypothese äußerte und dann vor laufenden Kameras seiner Eitelkeit erlag und dem Medientrend zum vorschnellen Urteil nicht widerstand. Von „unsäglichen Medienauftritten“ sprach denn auch die niedersächsische CDU, die dem Kriminologe außerdem vorwarf, dass er schon Ende August Akten über den Fall Sebnitz an Journalisten weitergegeben habe.

Dass der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) mit seinem „universellen Geist“ Pfeiffer noch Probleme haben könnte, deutete sich schon bei der Präsentation des künftigen Justizministers an. Ausbrüche aus Gefängnissen, so sagte Pfeiffer seinerzeit, gebe esschon solange, seit es Gefangene gebe. Dabei waren es gerade die getürmten Gefangenen, die Pfeiffers Amtsvorgänger Wolf Weber immer wieder ins Visier der Medien gebracht hatten.

Bei der gestrigen Vereidigung der drei neuen Kabinettsmitglieder musste Ministerpräsident Gabriel auch wegen seiner neuen Sozialministerin Trauernicht Kritik einstecken. Die Sozialdemokratin war am Dienstag für einen Tag zur Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium ernannt worden. Dadurch gilt der Wechsel der bisherigen Hamburger Staatsrätin nach Hannover als Versetzung und nicht als Entlassung – so behält Trauernicht ihre beamtenrechtlichen Versorgungsansprüche, die sie sich in der Hansestadt erworben hat. Gabriel bezeichnete dies gestern als normalen Vorgang. Die grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Pothmer sprach dagegen von einem „Griff in die Trickkiste“ zur Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen.

JÜRGEN VOGES

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