Verbucht und verrechnet

Der Bundeswirtschaftsminister nagelt zehn Thesen zum Ausländer an die Werbewand

Müssen Ausländer gleich „unentbehrlich“ sein, um zivilisatorische Rechte eingeräumt zu bekommen?

Vielen Leuten, die am Wochenende ihre Tageszeitung hochnahmen, fiel dabei ein so genannter Beipackzettel auf die Füße, der ausnahmsweise einmal nicht für Super-Energie aus reinem Wasserkraftbusen Reklame machte oder irgendeinen Special-Event-Rendite-Renner anpries, sondern diesmal eine wichtige Information des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie enthielt, die an „Kollegen, Unternehmer, Freunde“ gerichtet war. Hier stutzte man bereits. Hat das Wirtschaftsministerium Freunde? Gibt es einen „Freundeskreis Deutsches Wirtschaftsministerium“? Und was treibt der so? Vielleicht einmal die Woche abends beim Bier noch mal die Kappungsgrenzen irgendwelcher Deckungspauschalen abhaken?Man weiß es nicht. Und das tut gut.

Nicht gut tut hingegen, was der Zettel aus dem Ministerium ansonsten mitzuteilen hat. „Ausländer“ – meldet die Überschrift – „bereichern die deutsche Wirtschaft.“ Das ist schön, wenn es auch ein bisschen gelogen ist. Der Wahrheit näher käme: Die deutsche Wirtschaft bereichert sich an Ausländern – aber davon will das Ministerium vorerst nichts wissen.

Was das Ministerium will, ist etwas anderes. Es sendet Zettel in die Welt, um bei Bürgern, die es offenbar nötig haben, Verständnis dafür zu wecken, dass nun verstärkt ausländische Arbeitskräfte ins Land gelotst werden müssen. Dazu hat das Ministerium zehn so genannte Thesen aufgestellt sowie etliche Diagramme und Grafiken gebastelt, die zeigen, wie wichtig, wie willkommen, ja wie unverzichtbar ihm – und allen Deutschen – die Ausländer jetzt schon sind. „Ein Verzicht auf ausländische Arbeitnehmer würde“, warnt das Papier, „sogar die Produktionsleistung wichtiger Teile unserer Volkswirtschaft gefährden.“

Diese Ausländer, möchte man angesichts dieser unheilschwangeren Botschaft ausrufen: Jetzt gefährden sie die deutsche Wirtschaft schon, wenn sie nicht da sind!

Die zehn Thesen des Wirtschaftsministeriums, in der Reihenfolge ihrer Anführung, lauten so: „1. Ausländer beleben alle Branchen! 2. Ausländer stützen den Arbeitsmarkt! 3. Ausländer stützen das soziale Netz! 4. Ausländer sind Unternehmer! 5. Ausländer investieren in Deutschland! 6. Ausländer stärken die deutsche Wirtschaft! 7. Ausländer stärken die Kaufkraft! 8. Ausländer sind Partner der deutschen Wirtschaft! 9. Deutsche Unternehmen investieren weltweit! 10. Ausländer sind für die deutsche Wirtschaft unentbehrlich!“

Das ist zwar alles komplett banal, aber auch nicht falsch. Wenn Ausrufezeichen eine Art volkswirtschaftliche Ressource wären, der Bundesrechnungshof hätte hier einen Fall von Verschwendung anzumahnen. Davon abgesehen sind Ausländer selten auf so akurate Weise bilanziert, verrechnet, verbucht und verwertet worden wie in diesen „Thesen“. Fragt sich nur: Müssen Ausländer gleich zu Eier legenden Woll-Milch-Schweinen erklärt, als Kapitalanlage eingesetzt, als branchenbelebender Gewinnfaktor rangenommen und auf den reinen Menschenmaterialwert reduziert werden, um in Deutschland geduldet zu werden? Müssen sie gleich „unentbehrlich“ sein, um gewisse zivilisatorische Rechte eingeräumt zu bekommen? Und was, wenn dem nicht so wäre? Werden dann die Arbeitslager wieder aufgemacht? Wird dann die Zwangsarbeit für Ausländer wieder eingeführt – mit grünem Winkel statt Green Card? Soll an diesen Thesen / die Welt erneut genesen?

Das weisen sie natürlich weit von sich, die sehr couragierten zehn „Thesen“. Interessant wäre zu erfahren, warum das Wirtschaftsministerium seine auf statistischen Erhebungen beruhenden Fakten, welche die Integration von Ausländern ins deutsche Erwerbsleben dokumentieren, eigentlich „Thesen“ nennt. Weil Werner Müller, der Minister, sie eigenhändig an das Brandenburger Tor nageln will? Oder weil er mal eben quasi wissenschaftlich renommieren möchte? Oder aber sollen die Thesen genannten „Thesen“ anzeigen, dass es sich bei dieser positiven Ausländer-Evaluierung um womöglich fragile, ungesicherte Erkenntnisse handelt?

Die Fragen stehen mächtig im Raume. Und am liebsten möchte man mit dem alten Hexenmeister ausrufen: In die Ecke Thesen, Thesen / Seid’s gewesen!

RAYK WIELAND