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Rau tadelt Medien im Fall Sebnitz

Der Bundespräsident meint, einige Medien müssten sich bei den Einwohnern von Sebnitz entschuldigen. Johannes Rau traf sich mit der Familie Kantelberg-Abdulla und drei früheren Verdächtigen. Er warnte vor einem West-Ost-Konflikt

von SEVERIN WEILAND

Johannes Rau nannte nicht die Namen. Das ist seine Art nicht. Doch jene Medien, die unzutreffend über den Fall berichtet hätten, müssten sich bei den Bürgern von Sebnitz entschuldigen, meinte der Bundespräsident, als er gestern den Ort besuchte, der seit für Schlagzeilen sorgt. Rau ging sogar noch weiter: Einige Medien müssten über den Ort nicht nur andersberichten, sondern auch frühere Aussagen zurücknehmen.

Der Tod des Jungen Joseph und die Spekulationen darüber, ob dieser von Rechtsradikalen ermordet worden sein könnte, hätten einen „furchtbaren Schatten“ auf die Stadt geworfen. Bloße Gerüchte dürften niemals Grundlage für Urteile und Vorurteile sein.

Im Zusammenhang mit der Berichterstattung war vor allem die Bild-Zeitung kritisiert worden, die die Eigenrecherche der Mutter Renate Kantelberg-Abdulla auf die Titelseite gehievt hatte. In der Folge war neben anderen Zeitungen auch die taz in der Öffentlichkeit für eine Schlagzeile kritisiert worden, die den bislang ungeklärten Tod des Jungen Joseph als rassistische Tat bezeichnet hatte. Rau, der von Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) und dem Oberbürgermeister von Sebnitz, Mike Ruckh, begleitet wurde, warnte vor einseitigen Schuldzuweisungen. Ihm gehe es darum, dass Sebnitz eine „Zukunft hat und dass wir nicht in einen falschen Ost-West-Konflikt hineingeraten“.

Ruckh zeigte sich dankbar für den Besuch des Bundespräsidenten. Dieser sei ein wichtiges Signal für die Rehabilitierung der Kommune. Kurt Biedenkopf kündigte an, der Stadt helfen zu wollen, um den Imageschaden zu beheben. Seit den Berichten hat der Fremdenverkehrsort mit deutlichen Besuchereinbußen zu kämpfen. Bei seiner schwierigen Visite gab sich der Sozialdemokrat Johannes Rau als überparteilicher Repräsentant. Er besuchte nicht nur die dreiköpfige Familie Kantelberg-Abdulla, die trotz Pöbeleien in der Stadt bleiben will. Rau nahm sich auch Zeit, um mit Arbeitern einer Modellbahn-Fabrik zu sprechen, und kam auch mit den drei jungen Leuten im Alter zwischen 20 und 25 Jahren zusammen, die nach der Veröffentlichung in der Bild-Zeitung der Tat verdächtigt worden waren. Die zunächst von der Dresdener Staatsanwaltschaft gegen die drei Personen betriebenen Ermittlungen waren jedoch kurze Zeit später mangels Verdachtsmomente wieder eingestellt worden. Auch einen rechtsradikalen Hintergrund schließen die Ermittler nunmehr aus. Dagegen glaubt die Mutter von Joseph nach wie vor daran, dass ihr Sohn am 13. Juni 1997 im Freibad von Sebnitz von einer Gruppe rechtsradikaler Jugendlicher ertränkt wurde.

Sebnitz’ Bürgermeister Ruckh hat seit dem gestrigen Besuch des Bundespräsidenten vor allem eines im Sinn: Es gehe jetzt darum, den „guten Namen Sebnitz’“ wiederherzustellen. Dass einige Medien wiederholt über Drohungen gegen die Familie berichtet haben, hält der Oberbürgermeister für „übertrieben“.

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