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Rechtes Wirrwarr

■ Staatsschutz will Schlag gegen Neonazi-Rockszene gelandet haben

Die Meldung der Polizeipressestelle kurz nach Weihnachten klingt zwar brisant, aber auch etwas wirr: 1000 Neonazi-CDs – darunter der Gruppe „Blood and Honour“ – seien bei einem Übergabeversuch auf einem Platz an der Amsinckstraße von Staatsschützern des Hamburger Landeskriminalamtes am Freitag beschlagnahmt worden. 3 Personen im Alter zwischen 28 und 33 Jahren aus Hamburg, Schlewig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern seien festgenommen und ihre Wohnungen durchsucht worden. „Ein großer Schlag gegen den Rechtsextremismus“ feierten gestern die Hörfunkmedien die Polizeiaktion. Doch was dahinter steckt, verschweigen die Ermittler. „Ich möchte aus ermittlungstechnischen Gründen nicht mehr sagen“, verweigerte Polizeisprecher Ralf Kunz jegliche Auskünfte. Auch ob die Täter einschlägig bekannt seien, mochte Kunz nicht sagen.

Sehr zum Unverständnis von Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger: „Bei uns ist der Fall noch nicht anhängig, die Polizei hat Auskunft zu geben.“ Zudem gibt es eine Gruppe „Blood and Honour“ überhaupt nicht. Was es gibt, ist das Blood and Honour-Netzwerk, eine international agierende Connection für Neonazi-Musik, die im Herbst von Innenminister Otto Schily verboten worden ist. „Es hat einen Tipp gegeben“, kann Bagger nur bestätigen, „da ging es aber nur um 50 CDs“. Daraufhin seien Fahrzeuge beschlagnahmt, 3 Wohnungen und eine Firma durchsucht worden. Dies deckt sich auch mit Angaben der Lüneburger Polizei. Ein Sprecher bestätigt die Durchsuchung einer Wohnung „im Landkreis“. „Dort sind 1000 CDs sichergestellt worden“, sagt er. „Bei dem Tatverdächtigen hat es sich nicht um eine einschlägig bekannte Person der rechten Szene gehandelt.“

Dennoch lassen sich durchaus Rückschlüsse ziehen. So hat der Lüneburger Neonazi Michael Grewe Anfang des Jahres seinen Rechtsrock-Vertrieb Amholz bei Boizenburg in die Villa des Hamburger Neonazis Thomas Wulff verlegt. Das Blood & Honour-Netzwerk wurde bis zum Verbot offiziell von dem Tostedter Sascha Bothe geleitet, Abnahme für derartige Produkte war meist der Neumünsteraner Faschotreff Club 88. Polizeisprecher Kunz: „Diese Namen sind mir nicht bekannt.“

Peter Müller

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