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Komm zurück, H.A.L.!

Der Mangel an sichtbarer Wirklichkeit ist nur durch heftigen Zuwachs an Ironie zu bewältigen gewesen

von GEORG SEESSLEN

1968 war das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen. Mit Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll. Und mit der orbitalen Wahrnehmung. Zum Beispiel in dem grandiosen Film „2001“ von Stanley Kubrick. Wie gut, dass für diesen Film gerade die richtigen neuen Kinos in den großen Städten gebaut worden waren. Denn „2001“ war zwar einerseits eine merkwürdige Mischung aus Sciencefiction, Satire und Philosophie. Aber andererseits war der Film vor allem ein Trip. Ein Trip durchs Universum, ein Trip an die Grenze des Verstehens. Ein Trip durch die Geschichte der Menschheit.

2001, das wäre, nach Kubrick, das Jahr geworden, in dem der Mensch sich eine finale Auseinandersetzung mit seiner Technologie liefern muss, dargestellt anhand des Kampfes zweier Astronauten mit einem Supercomputer namens „H.A.L.“, der sich nicht mehr kontrollieren und schon gar nicht mehr abschalten lassen will. Der Computer, der uns durch ein stechendes rotes „Auge“ anschaut, ist über dem Widerspruch verrückt geworden, dass er einen Fehler begangen hat, aber zugleich von seiner Fehlerlosigkeit überzeugt ist. „Gewinnen“ konnte natürlich keiner diesen Kampf, weder die Maschine, die mit einem kläglichen Kinderlied in den Lautsprechern verendet, noch der Mensch, der hier draußen nur sterben kann, um wiedergeboren zu werden. Als „Sternenkind“. Als Nach- und Übermensch vielleicht.

Stanley Kubricks Zukunft war unendlich weit und weiß und rund. Davor waren wir es gewohnt, dass die Menschen in irgendwie phallischen, stählernen Raketen in den Weltraum aufbrachen, und im Gegenzug kamen glupschäugige, stachelige und gefräßige Aliens in „fliegenden Untertassen“ oder sonstwas Rundem, Organischem auf die Erde, um uns alle zu vernichten. Ist Ihnen das auch schon aufgefallen, wie „männlich“ die Aufbruchsphantasien, und wie „weiblich“ die Invasionsängste in der Sciencefiction bis 1968 und darüber hinaus waren? Raumstationen, Shuttles und Schiffe in „2001“ jedenfalls waren polymorph und sachlich-organisch. Der Ur-mensch hatte einen Knochen in die Luft geworfen, mit dem er gerade zum ersten mal einem Konkurrenten um die Wasserstelle den Schädel eingeschlagen hatte, und das Ding verwandelte sich, im berühmtesten match cut der Filmgeschichte, in das Raumschiff. What goes up must come down! Aber was ist oben und unten im Weltraum? Die Raumstation ist ein riesiges Rad, in dem der Astronaut endlos laufen kann wie eine Maus im Laufrad. Und die Kamera will sich an oben und unten auch nicht mehr recht erinnern.

In Stanley Kubricks „2001“ war die Weltraumfahrt, die Schwerelosigkeit, die orbitale Wahrnehmung, erst einmal etwas Alltägliches. Es gibt dort „oben“ das Hilton, die BBC, IBM und PanAm, es gibt Geschäfte, Kugelschreiber, Stewardessen und Leute mit Krawatten. Es gibt Redensarten und Umgangsformen. Kurzum, es waren Menschen von 1968, die Vertreter der technischen und ökonomischen Intelligenz, die uns in der Technik der Zukunft gezeigt wurden. Langweilig und korrekt. Diese Zukunft war sozusagen direkt von der Nasa hergestellt worden. Stanley Kubrick hatte das Glück, der erste und in gewisser Weise auch der letzte Filmemacher zu sein, der in einem dann eher skeptischen Film die Potenziale, die Lust an der Selbstdarstellung der technologischen Institutionen verwenden konnte, die sich damals noch ziemlich exklusiv für die Zukunft zuständig fühlten. „2001“ war in der ersten Hälfte nicht bloß das Zukunftsbild des Stanley Kubrick, sondern auch das Zukunftsbild der Weltraumbehörde, der Nasa, der technischen Intelligenz des Westens. Sie erfüllte sich in einem Projekt, das besser als jede „echte“ Weltraummission funktionierte, ihren Traum. Aber dann kam die Sache mit H.A.L.

Das Jahr 2001 ist nicht so weiß und rund geworden wie im Kino, nicht einmal im Weltraum. Mochte die Technologie in „2001“ auch gefährlich sein, voller problematischer Symbole, sie war doch auf eine gleichsam ewige Weise neu. Unkaputtbar. 1968 war ein Jahr 2001 unvorstellbar, in dem im Orbit vor allem Schrott herumfliegt. Man hätte nicht phantasieren können, dass da nicht ein wunderschönes Riesenrad zu den Klängen von „An der schönen blauen Donau“ im Weltall tanzt, sondern eine defekte MIR irgendwo, vielleicht weiß man nicht genau wo, auf die Erde knallen wird, nachdem sie Jahre lang vor allem Nachrichten von ihrem eigenen Verfall produzierte. Das ist nicht nur eine Frage der technologischen Ernüchterung – einerseits durch eine furchtbare Weltraumkatastrophe wie das Challenger-Unglück, andererseits durch die zähe Macht des Verschleißes auch von Mythen und Zeichen einer Technologie, die längst nicht mehr ästhetisch so kooperativ ist wie 1968. Es ist eine Frage, wie Zeit sich organisiert in diesem Raum, der sich dann eben doch nur im Kino so ausgedehnt hat. Der echte Weltraum, jedenfalls das kleine Stück davon, das wir erreichen, ist im Jahr 2001, in dem jeden Tag ein neuer Fernsehsatellit hoch geschossen wird und ein anderer herunterkommt, vor allem eng. Hätte man sich in „2001“ vorstellen können, dass man 2001 im Weltall einfach keinen Platz mehr hat?

Im Kino sind Raumschiffe längst schon schwarz geworden, und ihre Außenhaut ist nicht mehr glänzend, sondern mit Gadgets und Sonden überzogen wie mit Pockennarben. Die perfekte Dialektik von innen und außen, wie sie bei Kubricks Raumschiffen und sogar noch in den Ausrüstungen der Astronauten herrschte, funktioniert längst nicht mehr, und das nicht nur, weil wir uns daran gewöhnt haben, dass sowieso alle Nase lang etwas explodieren muss. Wir bringen keine perfekte Haut mehr in den Raum der Zukunft, und aus dem schönen orbitalen Kreisen ist längst ein tangentiales Trudeln geworden. Seit ungefähr 1978 sind Raumschiffe im Kino erst interessant, wenn sie entweder schrottreif oder mindestens so groß wie ein „Todesstern“ sind. Die Technologie der Zukunft ist unter unseren Händen nicht nur kaputt gegangen, sie ist uns auch fremd geworden. Sogar ein bisschen eklig.

Die orbitale Wahrnehmung, von der wir damals geträumt haben, sozusagen der Blick auf uns selber aus größter Distanz – auch die ersten „richtigen“ Astronauten haben von der Schönheit dieses Blicks auf die Erde geschwärmt (Warum tut das eigentlich schon so lange niemand mehr?) –, eine Perspektive, aus der man wahrscheinlich ebenso leicht demütig wie größenwahnsinnig werden kann, hat nichts von ihren Versprechungen gehalten. In absehbarer Zeit wird man sich diesen Trip kaufen können wie heute einen Kurzurlaub in der Südsee. Die Nachfrage hält sich in Grenzen.

Auf die Menschheit ist, ehrlich gesagt, im Jahr 2001 gepfiffen. Was bleibt, sind höchstens Einzelne

Wie freundlich wirken Kubricks kleine Seitenhiebe auf den kommerziellen Alltag im Weltall gegen die Orbitalisierung des freien Marktes und die Ökonomisierung des Orbits! Ein paar Jahre nach Kubrick hatte ein Comic-Mad-Scientist schon die alles rettende Idee. Statt ihn schon wieder mal als Abschussrampe für Superwaffen zu verwenden, sollte der Mond als exklusive Werbefläche vermietet werden. Das ist nicht einmal mehr besonders komisch. Man kann vom Kapitalismus sagen, was man will. Bis jetzt jedenfalls hat er noch jeden Anflug von „Utopie“ kaputt gekriegt. Also auch „2001“.

Zwischen „2001“ und 2001 liegen 33 Jahre Markwirtschaft, ein paar Kriege, eine Globalisierung, die die bei Kubrick noch anklingende Konkurrenz der Weltsysteme abgelöst hat – und eine Inversion der Wahrnehmung. Auf das abenteuerliche Versprechen der orbitalen Wahrnehmung, die man sich nicht anders hat vorstellen können als mit einem Schub neuen Bewusstseins verbunden (einen Rausch und zugleich seine Aufklärung), folgte die digitale Wahrnehmung. Erst richtete sich das Augenmerk auf den Mikrokosmos und auf die Ausbreitung der Selbstreferenz: Wenn man sich schon keinen Blick aus dem Fenster einer Mondfähre leisten kann, für eine Apfelmännchengrafik auf dem heimischen Bildschirm reicht es noch allemal.

Dann aber wurde die Imitation zum neuen Abenteuer, die „künstliche Wirklichkeit“ versprach, mindestens, ebenso unendliche Suggestionen zu liefern wie der Weltraum. Und ein Alien lauert in den unendlichen Spielebenen der AI so wahrscheinlich wie im nächsten Sonnensystem. Ob wir auf „intelligentes Leben“ oder einen Schatten von uns selber stoßen, hat mit der „Rechentiefe“ des Computers zu tun. Irgendwo dort gibt es eine Grenze des Verstehens, die so dramatisch sein mag wie die jenseits des Jupiters in „2001“.

H.A.L. also. Der gute alte H.A.L. In Wirklichkeit hat der die Menschen im Jahr 2001 gar nicht auf ihre letzte und erste Reise weit über sich selbst hinaus begleitet. Er hat stattdessen dafür gesorgt, dass wir gar nicht erst abheben. Er hat den orbitalen Traum so radikal trivialisiert, dass kein Mensch mehr davon träumt, ein Weltraumfahrer zu werden. Und auch diese Sache mit dem autonomen Denken, diese Idee, sich gegen seine Schöpfer zu erheben, überhaupt, sich philosophisch wichtig zu machen, hat H.A.L. sich geschickterweise abgeschminkt. Er hat sich klein, normal und unentbehrlich gemacht, stets zu Diensten, und wenn er uns denn schon mal peinigen will, dann reichen ihm ein paar strategisch eingesetzte Abstürze.

Wie es mit der sichtbaren, so ist es auch mit der unsichtbaren Technologie bestellt: „2001“ müssen wir Angst haben vor der kalten, weißen Perfektion, 2001 steht immer zu befürchten, dass nichts funktioniert, und zwar umso weniger, je trivialer die zu bewältigende Aufgabe ist. H.A.L. wusste zu viel, der Computer des Jahres 2001 versteht mich nicht. Er lässt es zu, dass ich mich in ihm verirre, und ständig muss ich Angst haben, ihn aus Versehen abzuschalten. Damit wir auch das noch merken: In „2001“ stürzten wir in den Raum (und das war auf eine so grausame Weise schön, dass unsere Kultur diesen Trip nicht wiederholte), 2001 dagegen stürzen wir in die Zeit.

„2001“ war der grandiose Versuch einer Sichtbarmachung. 2001 ist mit dem Unsichtbarwerden beschäftigt. Wenn wir jetzt Bilder machen, dann bleiben sie nicht für die Ewigkeit stehen, dann brennen sie sich nicht ein, wie so viele Bilder aus Kubricks Film, sondern wir schlagen sie als hysterischen Flash vor dem Verschwinden aus den Dingen und mehr noch aus den Nicht-Dingen. Aliens! Die ganze Welt ist voller Aliens! Du bist wahrscheinlich auch ein Alien, erzähl mir doch nichts.

Die ganze Welt ist voller Aliens! Du bist wahrscheinlich auch eins, erzähl mir doch nichts

Das Alien ist das, was ganz kurz erscheint, bevor es ein für allemal verschwindet. Es hinterlässt eine hässliche Lücke. Und es riecht schlecht. Dieses Weiß von „2001“ ist Verschwinden, das die Emotionen absorbierte. In „2001“ gab es keine Aliens, weil der Mensch im Weltraum selber fremd genug war. Deswegen konnte er sehen. Er sah, zugegeben, ziemlich panisch. Es war hier schwer, etwas zu erkennen. Man musste immer wieder den eigenen Blick suchen. Man musste erkennen, dass das Erblickte kein einfaches Gegenüber war. Orbitale Wahrnehmung, die Möglichkeit des Kreisens in Raum und Zeit, musste auch bedeuten, früher oder später sich selber zu sehen. Das hat Folgen. In „2001“ ebenso wie in seinem religiösen Gegenstück, Tarkovskis „Solaris“. Da kann man sehen, was das heißt, eine Reise zu sich selbst zu unternehmen.

2001 geht niemand mehr ohne seine Sonnenbrille hinaus. Statt etwas zu sehen, muss der Mensch nun etwas durchschauen und seinerseits dafür Sorge tragen, nicht durchschaut zu werden. Die Wirklichkeit hat keine Ränder, sie ist eine Verschwörung. Das Universum ist eine unendliche Datenmenge, in der sich ungehindert Viren bewegen, das einzige wirkliche künstliche Geschöpf, das der Mensch zustande gebracht hat, wie Stephen Hawking sagte.

Das klingt, als wäre 2001 einfach nur schlechter und langweiliger als „2001“ geworden. Aber natürlich hat alles auch seine guten Seiten. Zum Beispiel ist „2001“ zwar satirisch und sophisticated, aber vollkommen humorlos. Das kann man von 2001 nicht behaupten. Diese 33 Jahre, in denen wir von der weißen auf die schwarze, von der glänzenden auf die gebrauchte Technik, von der orbitalen auf die digitale Wahrnehmung, von der Erfahrung zur Simulation umgeschaltet haben, wären ohne Humor ja gar nicht auszuhalten gewesen. Anders gesagt: Der Mangel an sichtbarer Wirklichkeit ist nur durch einen heftigen Zuwachs an Ironie zu bewältigen gewesen. Weshalb H.A.L. es im Jahr 2001 auch nicht mehr so leicht mit den Menschen haben würde. Mit dem Gedanken an eine denkende Maschine sind sie überdies wesentlich vertrauter als die Astronauten in Kubricks Film. Sie haben nicht mehr so viel Angst vor dem Machtanspruch der zweiten Schöpfung. Denn paradoxerweise hat die Technologie, die den Maschinen-Menschen oder Übermenschen hervorbringt, dafür gesorgt, dass der Diskurs der Konkurrenz gar nicht mehr zentral ist.

Die Maschinen haben ein postmaschinelles Zeitalter begründet. In „2001“ hat sich niemand vorstellen können, dass 2001 die industrielle Produktion (und als deren Teil wiederum die Raumfahrt) nicht mehr der Verständigungsschlüssel der Menschheit sei. In „2001“ konnte sich niemand „Big Brother“ vorstellen (auch wenn man in Parallelproduktionen Sciencefiction-mäßig vor den „Millionenspielen“ der zukünftigen Medienwelt warnte); die Astronauten in Kubricks Film verließen eine vermutlich ebenso geordnete wie langweilige, ein bisschen leere Welt (wir mögen das aus den Bildern schließen, die sie von der Erde bekommen, und die im Jahr 2001 wahrhaft vorsintflutlich wirken). Aber sie zu verlassen war mit Hilfe der Maschine möglich. 2001 dagegen ist man manisch damit beschäftigt, die Aspekte der sozialen Kontrolle, die durch die Arbeit verloren ging und die keine Maschine bewerkstelligen kann, weil sie sofort durch eine Gegenmaschine neutralisiert wird, „künstlich“ herzustellen. Bitte überwacht uns!, rufen die Menschen des Jahres 2001 den Maschinen zu. Sie sind voller Sehnsucht nach H.A.L. und ergrimmt über die Astronauten, die ihn abgeschaltet haben. Inzwischen ist H.A.L. als Messias zurückgekehrt und musste sich als „Terminator“ für unsere Sünden opfern. Aber für 2001 ist seine Rückkehr prophezeit.

1968 war ein Jahr 2001 unvorstellbar, in dem im Orbit vor allem Schrott herumfliegt

Wir fliegen also nicht so weit in den Weltraum hinaus, und die orbitale Wahrnehmung bekommen wir als Pausenfüller im Fernsehprogramm. Die denkende Maschine ist zerbrochen in einem alltäglichen Gebrauch, der uns genauso abhängig gemacht hat wie die Astronauten von H.A.L., nur dass die Maschinen davon nichts „wissen“. Oder? Die Wissenschaft erklärt uns, dass es eine selbst bestimmte Maschine nicht geben kann. Höchstens Roboter, die Fußball spielen können, oder einen Computer, der Gefühle simuliert. Aber weil die Wissenschaft viel erklärt, haben wir noch den Mythos. Und in diesem ist die denkende und empfindende Maschine nicht mehr deswegen so gefährlich, weil sie in einen logischen Konflikt gerät und daher seine Schöpfer vernichten muss, sondern weil sie vielleicht wirklich besser ist. Ripley in „Alien 4“ erkennt eine Maschine daran, dass sie so menschlich reagiert. Auf den großen Aufbruch in die Fremdheit von „2001“ ist 2001 die furchtbare Spiegelung gefolgt: Die Maschine ist Ich. Und Ich ist kein anderer, sondern alles Mögliche.

Wie sehr die Menschen abhängig von der Maschine, wie sehr sie selber schon „maschinell“ geworden sind, das freilich hat auch Kubrick schon gezeigt. Das Faszinierende seines Dramas der Zukunft ist es, dass es vollkommen langweilige Menschen sind, die es erleben. Sie sind so langweilig, dass man, wenn der Film vorbei ist, sich an so vieles erinnert. Nur nicht an die Gesichter der Menschen, an das, was möglicherweise in ihrem Inneren vor sich gegangen sein mag. Das war zu dieser Zeit ein Programm der Utopie. Es ist die Menschheit, auf die „2001“ noch eine große Aufgabe wartet.

Auf die Menschheit ist, ehrlich gesagt, im Jahr 2001 gepfiffen. Was bleibt, sind höchstens Einzelne. Die Gleichung von story und history, die Kubrick noch einmal aufstellte, geht 2001 nicht mehr auf. Wenn wir uns vorstellen, H.A.L. würde einen Menschen des Jahres 2001 ansehen, dann müsste die denkende Maschine erst einmal fürchterlich erschrecken. Denn er würde einen Narziss ansehen, der sich nach dem maschinellen Blick sehnt, der ihn braucht, um „jemand zu werden“. Der H.A.L. von „2001“ versteht es, den Menschen zu schmeicheln (zum Beispiel, indem er ihre Kreativität als „Künstler“ lobt, wenn er das Bild des Astronauten ansieht), er simuliert gleichsam positive „Gesellschaft“ (und er macht das, wovor wir uns damals ängstigen mussten, auf eine „totale“ Weise). Der H.A.L. von 2001 müsste andere Versprechungen machen. Er müsste selber das Bild produzieren. H.A.L. wäre eine Tautologiemaschine, und nicht an ihr, sondern an ihrer Reise selbst müssten die Astronauten des Jahres 2001 verzweifeln. Denn nicht im ewigen Raum, sondern nur in der Maschine selber könnten sie das verlorene Double, könnten sie den Sinn ihres Lebens suchen.

H.A.L. ist also zur Matrix geworden. Und die Menschen stehen ihm nicht mehr, in Blickkontakt sozusagen, gegenüber, sondern können ihn nur noch von innen heraus bekämpfen. Übrigens mit einer sehr abstrakten Religion: irgendwo „da draußen“, dort wo bei Kubrick das Metaphysische wartete, muss für die Helden von „Matrix“ „die Wirklichkeit“ liegen. An die Grenzen der Wirklichkeit gelangen wir also, 33 Jahre nach „2001“ von der anderen Seite. Wenn wir in der Matrix als wirkliche Menschen wiedergeboren werden, so wie wir bei Kubrick als „Sternenkinder“ wiedergeboren sind, dann stellt sich in der Tat „2001“ und 2001 die selbe Frage: Was zum Teufel machen wir draußen?

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