: Neue Zeugen nach 60 Jahren
Vom Altenheim in die U-Haft: Rund zwölf Jahre nach seiner Abschiebung in die Bundesrepublik kommt der frühere KZ-Wärter Anton Malloth doch noch vor Gericht
NÜRNBERG taz ■ Die Staatsanwaltschaft München hat gegen den früheren SS-Offizier und Aufseher im Konzentrationslager Theresienstadt, Anton Malloth, Anklage wegen dreifachen Mordes und Mordversuchs erhoben. Der Prozess gegen den 88-Jährigen findet voraussichtlich im Februar vor dem Münchner Schwurgericht statt. Aufgrund neuer tschechischer Zeugenaussagen war Malloth am 25. Mai festgenommen worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Mit dem Prozess in München könnte ein Fall ein Ende finden, der zu umfangreichen diplomatischen Verwicklungen zwischen Tschechien, Italien und Deutschland geführt hatte. Von 1940 bis 1945 hatte der gelernte Fleischhauer in der so genannten Kleinen Festung, einem Gestapo-Gefängnis in Theresienstadt, Angst und Schrecken verbreitet. Nach Berichten vieler Häftlinge hatte sich Malloth, wegen seiner Eitelkeit „Schöner Toni“ genannt, durch besonders grausame Aktionen hervorgetan. Im September 1948 verurteilte ihn ein Außerordentliches Volksgericht in Litoměřice (Leitmeritz) zum Tode – in Abwesenheit, denn Malloth war erst nach Innsbruck und dann nach Meran geflüchtet. Dort lebte er unbehelligt mit seiner Frau, bis ihn Italien 1988 nach Deutschland abschob.
Schon 1970 hatte die Dortmunder Staatsanwaltschaft auf Drängen der tschechischen Behörden die Ermittlungen gegen Malloth wieder aufgenommen, sie aber 1979 wegen „unbekannten Aufenthalts“ wieder eingestellt. Noch 1968 hatte allerdings das deutsche Generalkonsulat in Mailand dem SS-Mann einen neuen Pass ausgestellt. Mit tatkräftiger Unterstützung des Vereins „Stille Hilfe“ kam Malloth 1988 in einem Altenheim in Pullach bei München unter. Die Vereinsvorsitzende Gudrun Burwitz, Tochter von Heinrich Himmler, kümmerte sich regelmäßig um den Mann. Der Münchner Anwalt Klaus Goebel, ebenfalls Mitglied der „Stillen Hilfe“, stand Malloth bei, als die tschechischen Behörden die Auslieferung des „am meisten gefürchteten und grausamsten“ Aufsehers von Theresienstadt verlangten. Die Dortmunder Staatsanwälte nahmen neuerliche Ermittlungen auf, stellten sie aber zuletzt 1999 „mangels hinreichender Verdachtsmomente“ für eine Mordanklage ein.
Gestützt auf bisher unbekannte Zeugenaussagen leitete die Münchner Staatsanwaltschaft dann im Januar 2000 das jetzt abgeschlossene Ermittlungsverfahren ein. Die Anklage beruht auf Aussagen ehemaliger Häftlinge. Demnach soll Malloth im September 1943 einen jüdischen Häftling, der einen Blumenkohlkopf unter seinem Hemd versteckt hatte, mit einem Stock geschlagen und dann mehrmals auf den am Boden Liegenden geschossen haben. Ein Jahr später soll Malloth einen Häftling mit Stockhieben und Fußtritten getötet haben. Zwei andere Häftlinge ließ er im Januar 1945 Zeugenaussagen zufolge zur eigenen Belustigung nackt im Hof des Gefängnisses antreten. Andere Gefangene mussten die beiden dreißig Minuten lang mit kaltem Wasser aus einem Schlauch bespritzen, bis sie tot umfielen. BERND SIEGLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen