: Lage: „sehr ernst“
Jiří Hodáč, Intendant des tschechischen Fernsehens, will „keinesfalls zurücktreten“. Doch Volk, Regierung und seine Gesundheit sind gegen ihn
aus Prag ULRIKE BRAUN
Die tschechische Zeitung Právo zitierte gestern den umstrittenen CT-Generalintendanten Jiří Hodáč mit den Worten, er werde „keinesfalls zurücktreten“. Inzwischen aber forderte die Krise auch von Hodáč selbst ihren Tribut: Gestern Vormittag mussten die Sanitäter anrücken und ihn in ein Krankenhaus bringen. Was ihm fehlt, ist laut seiner Nachrichtenschefin Jana Bobošíková noch nicht bekannt. Sein Gesundheitszustand sei jedenfalls „sehr ernst“.
Zudem droht Hodáč ein enormer Marsch durch die Gerichte, ein ganzes Batallion von Rechtsanwälten bereitet schon Klagen gegen ihn vor. Schließlich liegt einiges an: So ließ er nicht nur letzte Woche für immerhin dreißig Stunden das Sendesignal einstellen, sondern gab auch leichtfertig vertrauliche Angaben streikender Redakteure weiter. Gesetzesbrüche allemal, die der Intendant am Mittwoch noch um ein pikantes Delikt bereicherte: Als Kulturminister Pavel Dostál die Öffentlichkeit durch das Öffentlich-Rechtliche in der Nachrichtensendung „21“ vom lange erwarteten Regierungsbeschluss zur Gesetzesänderung informieren wollte, ließ Hodáč die Sendung einfach abschalten.
„Ich wollte in meiner Funktion als Kulturminister die Öffentlichkeit über die Themen informieren, die heute von der Regierung behandelt wurden“, sagte Dostál. „Wenn Herr Hodáč die Bevölkerung daran hindert, von diesen Angelegenheiten Kenntnis zu erlangen, handelt er illegal, und ich werde natürlich Klage gegen ihn einreichen“. Ob gegen Hodáč selbst oder den Sender allgemein, läge dabei in der Hand seiner „angesehenen Anwaltskanzlei“, so eine Sprecherin des Kulturministeriums gegenüber der taz.
„Jetzt ist es so weit,“ verkündeten die Transparente auf dem Prager Wenzelsplatz. Rund 100.000 Menschen hatten sich dort am Mittwochabend versammelt, um für die Unabhängigkeit des tschechischen Fernsehsenders CT zu demonstrieren. „Guten Abend, liebes Lager des Volkes“, begrüßte der Schauspieler Zdenek Sverak (Kolja) die Menge. „Dies ist ein SOS-Signal. Wir sind aus der Gleichgültigkeit erwacht.“
Das hat inzwischen auch die tschechische Minderheitsregierung des Sozialdemokraten Miloš Zeman gemerkt. In einer Sitzung, die die Partei eiligst noch vor der Demo am Mittwoch einberufen hatte, entschied sie einstimmig für eine Änderung des umstrittenen Gesetzes über das öffentlich-rechtliche Fernsehen und den Rundfunk.
Sollte der Gesetzesvorschlag, der aus der Feder von Kulturminister Pavel Dostál stammt, vom Parlament verabschiedet werden, muss der bisherige Senderat mit seiner sofortigen Demission rechnen. Am Sessel des umstrittenen Generalintendanten Jiří Hodáč wird jetzt also auch von oben gesägt. Bevor die Regierung selbst ihren Hut nehmen muss, wie viele angesichts der dramatisch sich entwickelnden Krise schon hoffen, wirft sie doch lieber den Stein des Anstoßes über die Klippe.
In einer überraschenden Kehrtwende gab selbst Miloš Zeman am Mittwoch bekannt, er sei nun doch für den Abgang von Hodáč. Tags davor hatte der für seine Bonmots bekannte Premier die Rebellion im Öffentlich-Rechtlichen noch als „maoistisch“ bezeichnet.
„Trotzkisten“ nannte sie hingegen der Chef des Privatsenders TV Nova, Vladimír Železný, in seiner Sendung „Volejte reditele“ („Rufen Sie den Direktor an“), in dem er sich regelmässig den Fragen seiner Zuschauer stellt. Bis auf diese Ausnahme stehen die tschechischen Medien aber hinter den aufständischen Fernsehredakteuren. Tageszeitungen und Rundfunksender widmen der Krise seit Beginn ihre ersten Seiten beziehungsweise wertvolle Minuten. Mit Vorliebe berichten sie über die Fehler des Teams Hodáč/Bobošíková und stellen deren Kompetenz immer wieder in Frage – dabei stellen die ihre Unfähigkeit fortwährend selbst unter Beweis.
Denn während aus dem besetzten Redaktionsgebäude, selbst unter erschwerten Bedingungen, auch weiterhin über Satellit und Kabel gesendet wird, ist das „offizielle“ Programm von Bobovize immer wieder unterbrochen, wird zum falschen Zeitpunkt, mit Verspätung oder auch einfach nur als Testbild ausgestrahlt. Zur politischen Pleite gesellt sich inzwischen auch ein handwerklicher Offenbarungseid.
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