: Vorbild Ökofrau
Konferenz für Gender und Umwelt will, dass Frauen Entscheidungen fällen statt still zu leiden
von MAIKE RADEMAKER
Frauen leiden anders, mehr und öfter unter ökologischen Katastrophen. Afrikanische Mädchen schleppen das Wasser eben noch weiter, wenn die Wüste vorrückt, und verzichten darauf, in die Schule zu gehen. Weißrussische Frauen sorgen für die durch die Tschernobyl-Katastrophe krebskranken Kinder. In Deutschland sollen und wollen Frauen BSE-freies Essen auf den Tisch bringen. Und gleichzeitig tun Frauen wenig, um ökologisch relevante Entscheidungen mitzuprägen, und profilieren sich lieber als bundesbeste Mülltrennerinnen. Um dem abzuhelfen und mehr Licht auf das unpopuläre Thema „Frauen und Umwelt“ zu werfen, beginnt heute eine dreitägige Konferenz in Berlin, bei der 55 ExpertInnen Zusammenhänge und Lösungen erörtern wollen – fünf sind Männer. Die Ergebnisse sollen noch im April in die Sitzung der Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) und in die Nachfolgekonferenz der UN- Umweltkonferenz „Rio +10“ nächstes Jahr eingespeist werden.
Staatssekretärin Gila Altmann (Grüne) vom Bundesumweltministerium (BMU) geht es dabei weniger um die übliche Zuweisung der Opferrolle an Frauen. Gerade weil die bisherigen Bemühungen der internationalen Umweltpolitik, die besondere Rolle der Frau in der Umweltpolitik herauszustellen, bislang folgenlos blieb, möchte sie die Organisation von Frauen in den Vordergrund der Diskussionen stellen. „Die Wirtschaft profitiert längst von Analysen frauenspezifischer Bedürfnisse. Die Verwaltung hat bisher kaum reagiert“, sagte sie gestern. Frauen passten sich existierenden Strukturen an, statt eigene zu schaffen. Altmann möchte mit ihrem Engagement weniger männliche Entscheidungen beeinflussen – diese entschieden nun mal auf ihrem Erfahrungshintergrund – als mehr Frauen zu Verantwortungspositionen ermutigen. Dass selbst die Übernahme einer solchen Position keineswegs bedeutet, dass damit frauenpolitische Themen in den Vordergrund rücken, zeigt der Blick auf Entscheidungsträgerinnen: Weder Brigitte Behrens, Geschäftsführerin bei Greenpeace Deutschland, noch Angelika Zahrnt, Bundesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), oder Margot Wallström, Umweltkommissarin der EU, sind bekannt für herausragende frauenpolitische Sichtweisen in ihrem Bereich.
Die rot-grüne Regierung versucht sich allerdings in der Frauensicht auf Umweltfragen. Tatsächlich sollen sich alle Ministerien nach einem Kabinettsbeschluss von 1999 mehr mit der Gleichstellung der Frau beschäftigen. In Pilotprojekten sollen gesetzliche Neuentwicklungen auf ihre geschlechtsspezifische Auswirkung geprüft werden. Im BMU wird dazu in einem Pilotprojekt die neue Strahlenschutzverordnung getestet, höchst relevant für alle Frauen, die im medizinischen Bereich arbeiten. So soll hier herausgefunden werden, inwieweit der Strahlenschutz Berufschancen von Frauen beeinflusst. Je nachdem, wie hoch oder niedrig die Werte gelegt werden und welche Schutzmaßnahmen vorgeschrieben werden, müssen vor allem schwangere Frauen mit Konsequenzen rechnen. Andere Ministerien seien allerdings mit ihren Projekten noch nicht so weit, räumte Altmann ein. Spätestens in zwei Jahren sollen Ergebnisse aller Pilotprojekte vorliegen.
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