: ... auf der Lauer sitzt ein kleiner Smiley
■ Ein Jahr nach Gründung der kmb stellt ein Drittel der großen Bremer Kultureinrichtungen der Controlling-Gesellschaft noch immer keine Daten zur Verfügung. Die SPD-Kulturdeputierten sind darüber verärgert
Seit fast einem Jahr soll die Controlling-Gesellschaft kmb für klare Verhältnisse im Finanzgebaren der Bremer Kultureinrichtungen sorgen. Doch noch immer fehlen ihr dafür die Grundlagen. Erst ein Drittel der Einrichtungen mit einem Förderwert von 200.000 Mark und mehr liefert die Daten vollständig, ein weiteres Drittel lückenhaft und das letzte Drittel gar nicht. Das erklärte kmb-Chef Volker Heller am Dienstagabend den SPD-Kulturdeputierten, und denen gefiel diese Auskunft gar nicht. „Da können wir über Zuwendungsbescheide doch Druck ausüben“, schimpfte der Deputierte Jens Görtz. Für ihn und die anderen SozialdemokratInnen, die sich erst seit der Bürgerschaftswahl 1999 mit dem Neuland Kulturpolitik vertraut machen, war das eine ziemlich verärgernde Information.
Auf Görtz, der im Brotberuf selbst Controller ist, und Co. muss die Kulturlandschaft einen miserablen Eindruck gemacht haben. Kaum waren die Novizen in der Kulturdeputation, wurde ihnen ein Problemfall nach dem anderen aufgetischt. Das Waldau-Theater, das KITO, die Trompetenakademie produzierten – zumindest aus Sicht von Neulingen – Schulden am laufenden Band. Und auch andere Einrichtungen scheinen mit der Zuführung von Rückstellungen oder üppig kalkulierten Sponsoreneinnahmen ihre Wirtschaftspläne zu verschönern.
„Wir können nicht zulassen, dass eine Einrichtung aus öffentlichen Mitteln Kapital akkumuliert“, beschreibt der Kulturdeputierte Björn Tschöpe die neue ökonomische Politik und unterstellt den Einrichtungen Tricksereien wie bei der Steuererklärung.
Wird in der Bremer Kulturszene das Geld nur so aus dem Fenster herausgeworfen? Und werden da die Hunderttausender nur so hin- und hergeschoben, ohne dass es jemandem auffällt? Dieser schwer wiegende Unterschlagungsverdacht scheint in den Köpfen der Neuen in der SPD umzugehen. Und die kmb soll ihn entweder ausräumen oder aber im Einzel- oder womöglich gar im Regelfall bestätigen.
Bislang brüteten die Kulturdeputierten über Haushaltsplänen. Seit kurzem kommen aus der Kulturabteilung so genannte Controllingberichte hinzu, auf denen ein Handsymbol je nach Finanzlage mit dem Daumen nach oben, zur Seite oder nach unten zeigt. Doch diese Berichte enthalten nach der Darstellung Volker Hellers nur Zahlen über die Zuschusshöhe und den Mittelabfluss. Außerdem seien Einrichtungen zu Gruppen zusammen gefasst, so dass Problemfälle unkenntlich würden. Mit ganz großem Wohlwollen begrüßten die SPD-Abgeordneten deshalb die Berichte der kmb, in denen statt Däumchen Smileys je nach Finanzlage über den Handlungsbedarf informieren. Diese Berichte enthalten nämlich auch Aussagen über die gesamten finanziellen Verhältnisse nebst Kennzahlen über die Besucherentwicklung sowie erläuternde Kommentare. Erst mit diesen „neutralen Berichten“ hätten die Deputierten die Entscheidungsgrundlage, meint Görtz. Früher sei „immer nur ins Blaue entschieden“ worden. Und: „Wir wussten nie, was für Geld wohin geflossen ist.“
Bei der Informationsveranstaltung über das Controlling mögen alle zwar über die Einrichtungen reden, aber nicht über die politischen Verhältnisse, unter denen sie wirtschaften. Offiziell müssen mit Ausnahme des durch den Intendantenvertrag abgesicherten Bremer Theaters alle mit einer 30-Prozent-Kürzung bis Ende 2004 rechnen. Wer kann, wird Rücklagen bilden, um in den nächsten Jahren überhaupt noch Veranstaltungen auf die Beine stellen zu können. „Entscheidend ist doch, wie viel Kultur die Einrichtungen produzieren“, sagt als Gast die Galeristin Katrin Rabus.
Doch Volker Heller pocht in jedem Fall auf Transparenz. Man könne einer Einrichtung mit hohen Eigeneinnahmen den Zuschuss kürzen, um eine andere darbende Einrichtung wie das Festival Tanz Bremen zu retten. Man könne eine gut wirtschaftende Einrichtung aber auch belohnen: Nach dem Modell Baden-Württemberg gäbe es dann für jede selbst erwirtschaftete Mark eine Steuermark oben drauf. Das sei aber keine Entscheidung der kmb, sondern der Politik.
Doch will die überhaupt entscheiden? Wollen sich die erfahrene Deputataionssprecherin Carmen Emigholz und Neulinge wie Jens Görtz zusammen KoalitionskollegInnen von der CDU überhaupt darüber Gedanken machen, welches Theater bis 2010 in Bremen spielen soll und wie man das am besten fördert? Werden sie sich mit jemandem anlegen, zu dessen Lasten sie das teure, aber ihnen wichtige neue Projekt X finanzieren möchten? Zurzeit macht Bremer Kulturpolitik – wenn überhaupt – den Eindruck von Mangelverwaltung, Kennenlernphase, Betriebsverwirtschaftisierung. Controllingberichte werden da zum entscheidenden Maßstab.
Doch dem Kulturdrittel, das der kmb noch immer keine Zahlen liefert, wollen die Verantwortlichen zurzeit noch nicht den Geldhahn zudrehen. Heller vertröstet Görtz und Co. auf die neue Stabsstelle, die ihn als Verwaltungsmitarbeiter oberhalb und außerhalb der Kulturabteilung ansiedelt. Noch weiß zwar keiner so genau, wie die Aufgaben- und Machtverteilung zwischen Ressort und Nebenressort dann aussieht. Aber Heller weiß immerhin, dass er dann an alle Zahlen rankommt. Christoph Köster
P.S.: Nach Auskunft von Carmen Emigholz wollen die SPD-Kulturdeputierten demnächst einen eigenen Vorschlag über den Inhalt und die Tiefe der Controllingberichte machen. Damit werde auf Kritik aus der Kulturszene reagiert, nach der die kmb-Berichte Einrichtungen vom kleinen Bürgerhaus bis zum großen Theater über einen Kamm scherten. Der SPD reichen Berichte, die Betriebe innerhalb von Sparten wie Theater oder Museen vergleichbar machen.
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