■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Time to say, I'm sorry
Gut, dass ich keine Interviews geben muss. Denn JournalistInnen verlangen mit ihren Fragen immer, dass man in die Zukunft schaut. Auch Michael Göbel, der Geschäftsführer der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG), musste neulich während eines Zeitungsinterviews in die Zukunft schauen. „Wie lange läuft das Musical ,Jekyll & Hyde' noch in Bremen“, wurde er gefragt. Und Göbel antwortete: „Mindestens bis zum 31. Dezember 2001.“
Das war am 22. November 2000. Wenige Wochen zuvor hatten die Wirtschaftsförderungsausschüsse acht Millionen Mark Rettungshilfe für das Musical bewilligt. Und nur wenige Wochen später war das Geld futsch. Von einer Laufzeit bis Ende 2001 oder sogar mindestens bis Sommer 2003, wie es der Musical-Generalbevollmächtigte René Meyer Brede im Sommer 2000 – in einem Zeitungsinterview – gesagt hatte, ist plötzlich keine Rede mehr.
Wenn ich mal was falsch mache, sage ich hinterher: „Tut mir leid Chefin, ich habe was falsch gemacht, nächstes Mal gebe ich mir mehr Mühe.“ Bei den Verantwortlichen für den Musical-Flop ist das anders: Sie machen nichts falsch. Meyer-Brede stellt sich hin und sagt: „Wir haben den Sanierungsauftrag erfüllt“, – als ob die Rettungshilfe für das Theater und nicht für „Jekyll & Hyde“ gezahlt worden wäre. Und Göbel erzählt den Abgeordneten der Wirtschaftsdeputation: „Jetzt haben wir kompetente und stabile Partner“, – als ob er es früher nur mit inkompetenten und instabilen Partnern zu tun gehabt hätte.
Nichts gegen Klaus-Peter Schulenberg (KPS), den designierten Mehrheitsgesellschafter des Musicaltheaters – der hat zwar viele Feinde, aber kennt sich aus in seinem Geschäft. Göbel ist da ein anderes Kaliber. Als er 1994 nach Bremen kam und sich die halbe Branche schon über Friedrich Kurz schlapp lachte, schwärmte Göbel von Kurz noch als dem deutschen Musical-Manager, den Bremen an der Angel hätte. Wenige Jahre später holte Göbels HVG den von Kurz und seinem windigen Nachfolger Roland Berger verantworteten Berliner Flop „Shakespeare & Rock'n'Roll“ in die Messehalle. Auch in Bremen floppte das Stück und riss ein dickes Loch in die HVG-Kassen. Und wieder hörte man eines nicht: „Tut mir leid. Nächstes Mal besser.“
Mir tut es leid um das Musical „Jekyll & Hyde“. Es ist immerhin eine aufwändige und sehenswerte Show, und die Leute vor und hinter der Bühne geben ihr Bestes. Vermutlich gehen viele von ihnen nach Wien, wenn im Herbst „Jekyll & Hyde“ gegen eine Wiener Einstudierung von „Hair“ getauscht wird. Die Wiener kassieren Miete dafür. Und umgekehrt zahlen sie auch für „Jekyll & Hyde“. Ich gehe beinahe jede Wette ein, dass die Stadt als „alleiniger Risikoträger von ,Jekyll & Hyde'“, so ein Gutachten, an dieser Vermietung keinen Pfennig mit verdienen wird, wenn die Bremer Produktion bei den Management-Profis in Wien zum Erfolg werden sollte. Die nächste Gelegenheit für: „Tut uns leid.“ Aber das hört man von den Herren ja nie. Man hört dagegen immer wieder neue Versprechungen. Ich kann nur staunen, dass so viele PolitikerInnen noch daran glauben, seufzt Ihre Rosi Roland
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