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Zu schön für Flüchtlinge

■ Rissener protestieren gegen Asylbewerberunterkunft in alter Villa

„Dieses Gebäude ist eines der schönsten im Westen Hamburgs“, sagt Hartmut Roderfeld über die Villa am Sandmoorweg. Nicht schön findet der Vorsitzende des Bürgervereins Rissen, was der Bezirk mit dem Haus plant: Rund 100 Flüchtlinge sollen hier einziehen. Nun sammeln viele Rissener Unterschriften gegen ihre künftigen Nachbarn.

Ihr Argument: Die Unterkunft passe nicht in den Stadtteil. Die Flüchtlinge, sorgt sich Roderfeld, würden doch hier wie in einem Ghetto leben müssen und hätten keine Chance, sich zu assimilieren. Außerdem würde die Unterbringung in einem so schönen Haus nur „falsche Erwartungen wecken, die der Staat dann nicht erfüllen kann“. Und die Bewohner des benachbarten Altenheimes würden sich – „berechtigt oder unberechtigt“ – nicht mehr vor die Tür trauen.

Gegen Ausländer generell habe man in Rissen aber nichts – und wenn Roderfeld jetzt aus ganz Hamburg Anrufe von Rechtsextremen bekommt, legt er gleich wieder auf. Erst kürzlich habe der ganze Stadtteil einen italienischen Res-taurantbesitzer unterstützt, als der auf Zetteln an Laternenpfählen verunglimpft worden war. Roderfeld will nur nicht, dass, wenn die Flüchtlinge kommen, „Schill in Rissen 60 Prozent bekommt“.

Horst Emmel beeindruckt das nicht. „An jedem Standort finden die Anwohner tausend Gründe, warum hier nun gerade keine Unterkunft hin passt“, sagt der Vorsitzende der SPD-Fraktion Altona. Im Übrigen sei das Haus kein „Luxus“, sondern sanierungsbedürftig. Und bei rund 100 Bewohnern „wird das auch ganz schön eng“. Er will den Standort auch gegen Widerstände durchsetzen, „wir brauchen nunmal neue Unterkünfte“: Monatlich kommen in Hamburg 600 bis 800 Flüchtlinge an.

Das Anwesen auf einem 44.000 Quadratmeter-Grundstück am Rande des Klövensteens wurde zuletzt als Seminarhaus genutzt. Die Besitzerin Tina Schack, die bereits ein Flüchtlingsheim in Altona betreibt, hatte es dem Bezirk angeboten.

Widerstand gegen Flüchtlinge als Nachbarn hatte es erst Ende vorigen Jahres in Sinstorf gegeben. Dort hat sich die Politik durchgesetzt – und die Bürgerinitiative will nun die Integration der neuen Nachbarn aktiv unterstützen.

Heike Dierbach

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